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Totenbeschwörung

Totenbeschwörung

Titel: Totenbeschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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niederließ. In diesen achtzehn Jahren hatten die Menschen wieder damit begonnen, ihre Toten in der Erde zu begraben. Manche hüllten sie auch in ölgetränkte Tücher und betteten sie auf trockenen, regengeschützten Simsen und Felsvorsprüngen zur letzten Ruhe, damit die Angehörigen sie von Zeit zu Zeit besuchen und Zwiesprache mit ihnen halten konnten. Selbstverständlich rechnete niemand mit einer Antwort ...
    Um einen solchen Ort handelte es sich also! In die Wände der größeren, vor Wind und Regen geschützten Höhlen hatten die Szgany Simse gehauen, auf denen vollständig erhaltene Leichname, die Mumien ehemaliger Stammesführer, aufgebahrt waren. Keine von ihnen sah aus, als sei sie erst vor Kurzem bestattet worden. Nestor schätzte, dass einige wahrscheinlich schon die ganzen achtzehn Jahre, also seitdem das Joch der Wamphyri von den Travellern genommen worden war, hier lagen.
    Aber Nestor wollte seine Befragung an jemandem vornehmen, der noch nicht allzu lange tot war, sagen wir: erst seit zehn, zwölf Jahren, weil er etwas erfahren wollte, was in seine eigene, weitgehend vergessene Kindheit zurückreichte. Es betraf eine der wenigen Erinnerungen, die ihm aus der Zeit vor seinem Unfall geblieben waren, ehe alles ausgelöscht wurde und er sich den Wamphyri anschloss. Also entschied er sich für einen vergleichsweise gut erhaltenen Toten, der noch nicht ganz zu Staub zerfallen war, und trat an dessen steinerne Bahre.
    Als Nestor sich näherte, begann der Tote zu zittern. Man sah es zwar nicht, doch Nestor konnte es spüren.
    »Er erkennt mich!«, flüsterte Nestor. Obwohl seine Worte kaum mehr als ein Hauch waren, hallten sie in der Höhle wider. »Er weiß, wen er vor sich hat.«
    Hier drinnen herrschte schwärzeste Nacht.
    Doch für die Sinne eines Wamphyri machte dies keinen Unterschied. Die Lords Nestor und Canker sahen genauso gut wie am helllichten Tag. Denn das Tageslicht stammte von der Sonne, und nichts, was mit der Sonne zu tun hatte, gereichte den Wamphyri zum Vorteil – bis auf die Menschen, die ihr Licht zum Leben brauchten.
    Canker Canisohn baute sich etwas seitlich hinter Nestor auf und sah ihm zu, betrachtete, wie Nestor bebend die Hände ausstreckte und sie auf die Stirn und die eingefallene Brust der Mumie legte. Canker fiel es schwer zu glauben, dass sich in dieser zerfallenen, vertrockneten Hülle, die Nestor da berührte, noch eine Empfindung regen sollte.
    Alter Häuptling, hörst du mich?, fragte Nestor. Canker bekam nichts davon mit, noch nicht einmal ein Flüstern, schließlich handelte es sich nicht um Telepathie. Nestor sprach mit einem Toten! Spürst du, wie meine Hände dich berühren? Ich weiß, dass du es fühlst, denn ich merke doch, wie verzweifelt du versuchst, deine Gedanken vor mir zu verbergen. Und obwohl dein Körper zu keiner Regung mehr fähig ist, zitterst du wie Espenlaub! Aber ich sage dir, du brauchst mich nicht zu fürchten!
    »Nun?«, grunzte hinter ihm Canker. Für den Hunde-Lord sah es nicht so aus, als würde etwas passieren. »Was ist?«
    Nestor wandte den Kopf und blickte in Cankers blutunterlaufene Wolfsaugen, deren winzige Pupillen in demselben Glanz leuchteten wie seine geliebte Mondgöttin. »Ruhe! Erst muss ich ihn erreichen. Solange das nicht geschehen ist, bekommst du weder etwas zu hören noch zu sehen.«
    »Ich dachte, du wolltest es mir zeigen!« Canker wirkte beleidigt. »Woher soll ich denn wissen, was zwischen euch vorgeht? Falls überhaupt etwas geschieht!«
    »Sei still«, herrschte Nestor ihn an, »oder verschwinde und lass mich allein weitermachen! Es gibt da etwas, was ich von ihm erfahren muss.«
    »Huh!«, machte Canker. Doch dann schwieg er.
    Ich fordere dich ein letztes Mal auf, zu mir zu sprechen!, befahl Nestor dem Leichnam. Ich will wissen, wer du warst und was du an einem bestimmten Morgen deines Lebens gehört, gefühlt und gesehen hast, als die dahinjagenden Wolken auf einmal rot erglühten! Eine Wolke im Besonderen leuchtete blutrot über der Sternseite! – Sie war gewaltig! Zunächst sah sie aus wie ein riesengroßer Pilz, dann sank sie in sich zusammen. Erinnerst du dich? Ich weiß, dass du dich daran erinnerst! Danach war die Luft erfüllt von Donner, die Erde bebte, und von den Pässen im Norden erhob sich ein für die Jahreszeit ungewöhnlich warmer Wind. Ich sage es noch einmal: Du hast nichts von mir zu befürchten, nicht, wenn du mir alles erzählst, woran du dich erinnerst! Doch falls nicht ... Nestor verstummte. Die

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