Totenbeschwörung
lassen ... Das verspreche ich dir!« Nestors Worte troffen geradezu vor Sarkasmus.
Du versprichst es mir? Du? Und das soll ich dir glauben?
»Bleibt dir denn eine andere Wahl?« In Nestors Stimme lag ein Lächeln ... das jedoch sofort wieder daraus verschwand. »Genug davon! Machen wir endlich Nägel mit Köpfen! Willst du, dass ich die Würmer, die sich in deinem Herzen tummeln, zu Brei zerquetsche?« Er drückte sacht zu, und seine Fingernägel gruben sich in das modrige Leichentuch.
Nein! Nein!, stieß der tote Szgany völlig aufgelöst hervor. Halt ein, Nekromant! Ich erzähle dir alles. Und dann sprudelte es nur so aus ihm heraus. Ich bin, das heißt, ich war Agon Mitrea, Sohn von Lexandru, und wie zuvor mein Vater führte ich fünfzehn Jahre lang die Szgany Mitrea während der Schreckensherrschaft der Wamphyri, aber auch in den segensreichen Jahren des Friedens. Bis sie für kurze Zeit zurückkehrten! Sie kamen aus den Eislanden, doch nur, um am Tor zu den Höllenlanden endgültig vernichtet zu werden. Das ist das Ereignis, an das du dich aus deiner Kindheit erinnerst! Es ist ausgeschlossen, dass ich mich irre!
»Was? Der Untergang der Alten Wamphyri?« Mit einem Mal war Nestor ganz Ohr.
Ebendies! Ohne sich äußerlich zu bewegen, produzierte der Leichnam das Äquivalent eines Nickens. Im Anschluss daran wurden die Szgany allmählich sesshaft, jedenfalls die meisten von ihnen. Wir ließen uns in kleinen Städten und Siedlungen nieder. Doch nachdem der Himmel in Flammen gestanden und die Erde gebebt hatte und jenseits der Berge das Unheil über die Sternseite hereingebrochen war, blieben mir nur noch drei Jahre. Darüber werde ich dir berichten.
An dem Morgen, von dem du gesprochen hast – es muss jetzt fünfzehn oder sechzehn Jahre her sein – wurde ich Zeuge desselben beängstigenden Schauspiels wie du. Allerdings gehe ich davon aus, dass ich seinem Ursprung um einiges näher war. Zu nah! Ich war dabei, als das pulsierende weiße Licht das Gebirge in einen bloßen Schattenriss verwandelte und sich einem unbarmherzig ins Auge brannte. Ich hörte ein lautes Krachen, so wie wenn ein Stein in der Hitze eines Glutofens zerspringt. Danach rumorte es in der Erde, und die Luft war erfüllt von unablässigem Donner. Ich sah grelle Blitze über den Himmel zucken, die Wolken stoben nach allen Seiten davon und leuchteten rot im Widerschein zahlloser Brände. Und dann entstand dieser ungeheure Pilz! Er wurde größer und größer, wuchs höher als selbst die Berge, und aus seinem Innern schlugen Flammen!
Nestor sah dies alles im Bewusstsein des Toten, genauso wie auch er selbst es beschrieben hatte, allerdings aus größerer Nähe und einer etwas anderen Perspektive. »Du behauptest, du seist näher dran gewesen als ich – zu nah, wie du sagst! Aber wo genau? Und was heißt ›zu nah‹«?
Mein Stamm lebte damals nicht weit von hier, bei dieser alten Begräbnisstätte, beeilte Agon sich zu antworten. Nestor hatte ihn nun völlig unter Kontrolle. Wir wohnten in einer Siedlung westlich des Großen Passes, der über das Grenzgebirge führt. An jenem Morgen war ich unterwegs mit ... mit meinen Söhnen ...
Entsetzt hielt Agon inne, fast so als habe er plötzlich die Hand vor den Mund geschlagen, denn er erkannte, dass er einen Fehler gemacht hatte.
»Ah, du hast also tatsächlich Söhne«, sagte Nestor lächelnd. »Nun habe ich die Gewissheit, dass du mir nichts als die Wahrheit sagen wirst. Doch ich habe dich unterbrochen! An jenem Morgen warst du unterwegs mit deinen Söhnen ...«
A... auf d... der Jagd, j... ja, fuhr der Alte fort. Am liebsten wäre er auf der Stelle tot umgefallen, um sich und die seinen vor diesem Scheusal zu schützen. Doch leider war dies nicht mehr möglich. Wir brachen auf, bevor der Morgen graute. Wenn es dämmert, kommen die Hasen aus ihren Löchern, und das Wild zeigt sich und auch die Wildschweine. Im östlichen Vorgebirge gleich hinter dem Pass lässt es sich gut jagen. Wir waren auf dem Rückweg und wollten nach Hause, voll bepackt mit gutem Fleisch. Zu unserer Linken erstreckte sich die Sonnseite, zur Rechten tat sich der Pass vor uns auf. Am Horizont erschien gerade die Sonne in ihrer ganzen Pracht ...
Da geschah es! Die Sterne waren bereits dabei zu verblassen, aber mit einem Mal waren sie verschwunden, und der Himmel über der Sternseite verwandelte sich in ein helles Gleißen.
Wir waren geblendet, nur für einen Augenblick, Sekunden, wenn es hoch kommt. Als die Erde bebte,
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