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Totenbeschwörung

Totenbeschwörung

Titel: Totenbeschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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tödlichen Licht der Sonne geschrien hatte, als seine Haut aufplatzte und der Dampf hervorquoll, während seine Körperflüssigkeiten davonflossen wie der Saft eines am Spieß gebratenen Schweines. Möglicherweise war Nestor ja auf diese Weise in seine missliche Lage geraten, indem er mit seinem Flieger über der Sonnseite abgestürzt war. Dabei war er wohl mit dem Kopf aufgeschlagen und hatte das Gedächtnis verloren. Das wäre zumindest eine Erklärung. Nun, jetzt würde er eben wieder ein Lord werden und neue Erinnerungen würden sich einstellen. Zunächst jedoch musste er ein paar Dinge lernen, das Fliegen zum Beispiel!
    Als er die Berge hinter sich ließ und das wütende Tosen des Windes allmählich schwächer wurde, beugte er sich zwischen den vor ihm aufragenden Sattelknöpfen nach vorn und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und konnte endlich wieder etwas sehen. Unterdessen hatte die Flugbestie sich auf ihrer Suche nach thermischen Strömungen in südlicher Richtung in die Höhe geschraubt; und dort, weit draußen am anderen Ende der Glutwüste, erspähte Nestor eine Lanze aus gelbem Licht, die aus dem geschmolzenen Horizont hervorstach und nach Westen auf die Flanken der kargen, grauen Berge zu vorstieß ... Sonnauf! Damit war Nestors Zeit auf der Sonnseite abgelaufen. »Nach Norden!«, rief er seinem Tier zu. »Nach Norden, nach Starside – zur letzten Felsenburg!«
    Von Westen her kroch der feurige Fächer über den Rücken des Grenzgebirges näher und tauchte die Berge in seinen Glanz. Am südlichen Horizont würde gleich die Sonne durchbrechen und ihre golden gleißenden Strahlen aussenden.
    Doch nun zog der Flieger, als gehorche er, wenn auch widerwillig, Nestors Ruf, eine plumpe Kehre Richtung Norden. Einen Augenblick lang schien er dort, zwischen den höchsten Bergspitzen schwebend, mitten in der Luft zu verharren. Erst als Nestor wie ein Verrückter brüllte »Schneller, flieg schneller!«, ließ die Bestie sich allmählich nach innen abfallen und trieb über Gipfel und Schluchten und ein Gewirr von Hochebenen dahin, bis sie schließlich den sich nach vorn zu verjüngenden Hals und den Kopf senkte und in einen gemächlichen Gleitflug überging.
    Nestor konnte es nicht wissen, doch für sein Tier lag in dem ganzen Schauspiel nichts Neues. Es hatte diese Strecke bereits zuvor mit Vasagi dem Sauger zurückgelegt und kannte den Weg recht gut. Nichts an der ganzen Sache war der Bestie neu – bis auf ihren Reiter, einen bestenfalls schwächlichen Burschen, wie es schien. Seine Gedanken waren stumpf wie ein Faustkeil, nicht rasiermesserscharf wie diejenigen des Saugers. Nicht ein einziges Mal hatte er seine Sporen benutzt, sondern er saß nur bleich, vom Wind umtost im Sattel. Warum er überhaupt hier war, blieb dem Tier ein Rätsel.
    Es war durchaus möglich, dass Nestor die langsamen, dumpfen Gedanken des Fliegers spürte und mitbekam, wie gering dieser ihn schätzte. Doch nun, wo er die Sonne bereits im Nacken spürte, hörte er auf, die Bestie mit Samthandschuhen anzufassen! Er zog den Bolzen unter der Schusspinne seiner Armbrust hervor, beugte sich zwischen den Sattelhörnern nach vorn und kitzelte die Kreatur ein bisschen am Rückgrat. Dann konzentrierte er seine Gedanken und jagte ihr einen Schwall von Beschimpfungen den ledrigen Nacken entlang direkt in den Kopf. Er endete in einer Drohung:
    Und jetzt beeil dich, oder ich klettere an deinem Hals nach vorn und steche dir das Ding ins Ohr! Das Tier hörte ihn. Mehr noch, es spürte den ersten heißen Hauch der Sonne auf seinem Hinterteil, senkte die Nase und glitt hinab in die Schatten eines Passes. Endlich vor der Sonne geschützt, jagte es weiter Richtung Starside.
    Nestor seufzte erleichtert auf.
    Im nächsten Moment vernahm er ein kehliges Gelächter und einen hallenden Ruf: »Bravo!«
    Es war Wran. Er schoss mit seinem Flieger aus dem Schatten eines Grates hervor und zog längsseits. »Das war um Haaresbreite, was? Ein paar Augenblicke länger, und die Schwingen deiner Bestie wären verkohlt und zu Staub zerfallen! Aye, und hier geht es ganz schön tief runter, Lord Nestor von den Wamphyri ...«
    Er sprach die Worte laut aus, aber sie erklangen auch in Nestors Gedanken. Es handelte sich um eine besondere Fertigkeit der Wamphyri. Auf so kurze Distanz vermochte jeder von ihnen Gedanken zu lesen, allerdings gab es auch bei ihnen Unterschiede. Vasagi war geradezu ein Meister der Telepathie

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