Totenbeschwörung
kann man wohl sagen!, dachten sowohl Nathan als auch Zek. Laut sagte Nathan jedoch nur: »Tatsächlich? Wie kommen Sie darauf?«
Aus einem der anderen Zimmer trat ein grauhaariger Mann mittleren Alters zu ihnen. Anscheinend hatte er einen Teil der Unterhaltung mitbekommen, außerdem sprach die Aufregung in den Gesichtern seiner Frau und seines Sohnes Bände. »Sie sind also der Sohn von Mister Keogh, dem Tierarzt? Nun, wir sind Ihrem Vater zu Dank verpflichtet! Ja, und der alte Hund da weiß es ganz genau! So begrüßt er nicht jeden!«
Nathan saß auf der Couch und Paddy mit hängender Zunge zu seinen Füßen, die Vorderpfoten auf dem Schoß des Necroscopen. »Nun«, sagte Trask und lachte, »es mag ja sein, dass Paddy nicht mehr gut sieht, aber trotzdem scheint er dich zu kennen!«
Verlegen zuckte Nathan die Achseln. »Ich ... habe eben ein Händchen für Hunde.«
»Das hatte Ihr Vater auch!«, meinte der Mann mit dem grauen Haar, nun schon wesentlich ernster. »Heilende Hände! Ach, übrigens, ich heiße John McCulloch. Das ist meine Frau Mary, und dies mein Sohn Peter. Peter war damals noch ganz klein und er hat sich rührend um Paddy gekümmert! – Hat Ihr Vater Ihnen gesagt, Sie sollten mal bei uns vorbeischauen?«
»Mein Vater ist ... Er ist tot«, erwiderte Nathan. »Aber, ja, er hat mir aufgetragen, dass ich, sollte ich je in diese Gegend kommen ...«
»Nun, Sie sind mehr als willkommen«, sagte Peter McCulloch. Das schloss die anderen beiden mit ein. »Paddy hat uns sein ganzes Leben lang nur Freude bereitet, dabei hätte ich damals geschworen, er sei tot. An der Ecke da drüben ist er in ein Auto gelaufen! Er sah ... einfach schlimm aus! Ich war überzeugt, dass er das nicht überleben würde. Aber Mister Keogh hat ihn mitgenommen und noch am selben Abend wieder zurückgebracht. Der Hund war wie neu! Er hatte nicht den kleinsten Kratzer davongetragen! Es ist mir bis auf den heutigen Tag ein Rätsel ...«
Peters Mutter ergriff Zek am Arm. »Sie bleiben doch zum Essen?«
»Ich fürchte, wir haben noch einen Termin«, beeilte Trask sich zu antworten. »Eigentlich müssten wir schon unterwegs sein. Es ist nur so, dass ...«
»... dass mein Vater sagte, ich würde hier stets mit offenen Armen empfangen werden«, führte Nathan den Satz für ihn zu Ende. Er erhob sich. »Und er hatte recht ...«
Wieder im Wagen, sagte Trask: »Das ... war erstaunlich! Wie konntest du das wissen? Woher ... wusstest du das?«
Nathan schüttelte den Kopf. Dann blickte er Trask neugierig an. »Ben, hast du mir auch wirklich alles über Harry erzählt? Er war der Necroscope, gewiss. Er vermochte mit den Toten zu reden und konnte sie bei Gefahr sogar heraufbeschwören, damit sie ihn schützten. All das weiß ich, das alles hast du mir ja erzählt. Es ist auch keine große Überraschung, immerhin bin ich ja selbst ein Totenhorcher. Aber mir scheint, hier war etwas völlig anderes im Spiel. Ich meine, tot ist tot, und Paddy kam mir äußerst lebendig vor. Ich habe versucht, mittels Totensprache in sein Bewusstsein einzudringen, und es hat nicht funktioniert. Paddy lebt! Aber nach all den Jahren erinnert er sich noch immer an meinen Vater, an den Geist, den er damals spürte, und etwas davon hat er auch in mir gespürt! Peter McCulloch sagte, er habe geglaubt, sein Hund sei tot! – Was ich wirklich wissen will, ist: Über welche Kräfte verfügte Harry noch? Denn es ist eine Sache, die Toten heraufzubeschwören, aber eine vollkommen andere, sie wieder lebendig zu machen!«
Trask starrte geflissentlich durch die Windschutzscheibe auf die vor ihm liegende Straße und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Denn Nathan hatte recht: In der Regel vermied man es beim E-Dezernat, über diese Seite seines Vaters zu sprechen, und Nathan gegenüber hatte niemand etwas davon erwähnt. Es war der Unterschied zwischen einem Necroscopen und einem Nekromanten, zwischen Gut und Böse. Und doch war Harry Keogh dem Bösen nicht erlegen, selbst als seine Tage auf der Erde gezählt waren. Lediglich das Wesen in ihm war durch und durch böse gewesen, doch irgendwie hatte er es geschafft, es bis zum bitteren Ende unter Kontrolle zu halten.
Harry Keogh war dem Bösen nicht erlegen ... und doch war er ein Nekromant gewesen. Janos Ferenczy, der letzte Spross einer berüchtigten Linie, hatte ihn in den Karpaten in seiner Burg in den Zarundului-Bergen in der düsteren, nur Eingeweihten zugänglichen Kunst der Nekromantie unterwiesen. Das war auch schon
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