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Totenbeschwörung

Totenbeschwörung

Titel: Totenbeschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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vor allem aber wollte er allein sein und seine Ruhe haben. Denn als sie zu dritt die schmale, gepflasterte Allee zwischen der alten Schule und dem örtlichen Friedhof entlanggeschlendert waren, hatte Nathan die Verlockung gespürt, die von den schiefen, moosbewachsenen Grabsteinen ausging, und ihm war klar gewesen, dass er dort Freunde finden würde. Oder vielmehr Freunde seines Vaters. Es war eine Gelegenheit, mehr über Harry zu erfahren.
    Arm in Arm marschierten Zek und Trask los. Der Nachmittag mochte windig sein, aber die Sonne schien und tauchte das Tal und das Flüsschen, über das sich der Viadukt spannte, in ihren winterlichen Glanz. Doch sobald Nathan den Friedhof betreten hatte und ihn das Gezweig der über die Mauer wuchernden Alleebäume vor der Sonne abschirmte, spürte er die Einsamkeit des Ortes, die Feierlichkeit, ja Erhabenheit, die von ihm ausging, und wusste, dass sein Vater als Junge oft hier entlanggegangen war. Ihm kam es so vor, als könne er im glitzernden Kies der gewundenen Friedhofswege, im vermodernden Laub, der Graberde und dem kurz geschnittenen Gras zwischen den Grabstätten noch die Spuren des Necroscopen erkennen.
    Mit einem Mal spürte er, dass er nicht allein war. Vielleicht hatte ein leises Murmeln oder eine flüchtige Bewegung seine Aufmerksamkeit erregt. Er blickte auf und sah zwei dick vermummte Gestalten etwa zwanzig, fünfundzwanzig Schritte entfernt an einem Tor lehnen – seine Aufpasser. In der eisigen Luft gefror ihr Atem sofort. Sie wahrten einen respektvollen Abstand und bemühten sich, unauffällig im Hintergrund zu bleiben. Dennoch waren sie da und hatten ein Auge auf ihn. Beruhigt setzte Nathan seinen Weg fort.
    Es war beinahe, als führten seine Beine ein Eigenleben. Er schritt einfach aus und ehe er es sich versah, fand er sich im Schatten ehrwürdiger Bäume wieder. Vor einem unkrautüberwucherten Grab blieb er stehen. Während er sich anstrengte, die Inschrift auf dem verwitterten Grabstein zu entziffern, lauschte er dem leisen Geflüster der Toten.
    Wer ist das?, rätselten sie. Wer kann das sein? Es fühlt sich fast so an wie ... wie ... Aber nein, er ist schon vor langer Zeit von uns gegangen und wird garantiert nicht zurückkehren. Das ist auch gut so! Und doch ... dieser Mann ist ein Lebender und dennoch vernehmen wir seine Gedanken! Wie ist das möglich? Sind die Gerüchte denn wahr? Es heißt, ein neuer Necroscope sei in die Welt gekommen! Aber ist er es auch, oder ... handelt es sich womöglich um einen Anderen ? Sollen wir es wagen, ihn anzusprechen, und ihn fragen?
    – Der Necroscope war unser Freund, meldete sich eine wesentlich entschiedenere, kräftigere Stimme zu Wort, lange bevor er zu einer Gefahr wurde. Der einzige Freund, den wir je hatten! Und nun taucht dieser Mann auf und ihr wollt euch damit zufrieden geben, in eurem Schwebezustand zu verharren und die Welt der Lebenden an euch vorüberziehen zu lassen!? Wollt ihr euch denn die Gelegenheit entgehen lassen, mit jemandem zu sprechen, der noch am Leben ist? Harry ist von uns gegangen, das ist uns allen klar, und jeder von uns weiß, wozu er zuletzt geworden war. Aber davor war er unser Freund. Ich für mein Teil vermisse ihn!
    – Damit stehst du nicht allein, sagte eine weise anmutende, jedoch leisere, schwächere Stimme. Sie schien aus allernächster Nähe zu kommen, aus dem Grab zu seinen Füßen, wie Nathan annahm. Ich vermisse ihn auch. Früher habe ich an der Schule drüben auf der anderen Straßenseite Mathematik unterrichtet. Das ist jetzt ... oh, schon ziemlich lange her, fünfzig, sechzig Jahre vielleicht. Als Harry sich zum ersten Mal mit seinen Schulproblemen – Mathematik natürlich – an mich wandte, war ich schon lange tot. Aber wisst ihr, ich konnte ihm doch tatsächlich helfen! Ich kann es selbst kaum glauben! Aber ich war derjenige, der dem Necroscopen Mathematik beibrachte!
    Nathan blieb der Mund offen stehen. Ihn überlief eine Gänsehaut. Er konnte nicht fassen, was er soeben gehört hatte, welch fantastische Gabe auf einmal greifbar schien. Doch die Inschrift auf dem von Flechten überwucherten Grabstein bestätigte es ihm. Mühsam, denn seine Lesekenntnisse waren noch nicht allzu weit gediehen, entzifferte er:
    JAMES GORDON HANNANT
    13. Juni 1875 – 11. September 1944
    30 Jahre Lehrer an der Harden Boy’s School
    10 Jahre Rektor
    Nun zählt er zu den
    himmlischen Heerscharen.

ZWEIUNDDREISSIGSTES KAPITEL
    »Sir«, sagte Nathan, unfähig, das leichte Beben in seiner

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