Totenbeschwörung
verzweifelt gesehen und wahrscheinlich würde er sie auch nie wieder in einer derartigen Verfassung erleben. Zek war eine starke Frau.
Sie sah den Ausdruck auf seinem Gesicht, das Mitgefühl, das er für sie empfand, und wandte sich ab.
»Es ist gar nicht so schwer, wie du annimmst«, versuchte Nathan sie zu beruhigen. »Die Totensprache vermag weit mehr zu vermitteln als bloße Worte. Auch Gefühle! Wir werden uns telepathisch kurzschließen, du und ich, dann ist unser Kontakt enger. Mit Telepathie wird Jazz zwar nichts anfangen können, aber auf diese Art werde ich wenigstens in der Lage sein, deine Gedanken ein wenig zu glätten, sollten sie ein bisschen durcheinandergeraten, und sie rüberzubringen, ohne ihm ... ohne ihm wehzutun – falls es irgendetwas gibt, was schmerzlich sein könnte. Aber nach allem, was ich von ihm gehört habe, ist er wohl aus demselben Holz geschnitzt wie du. Es wird schon gut gehen.«
Sie wandte sich ihm wieder zu. »Glaubst du?« In ihren Augen glomm Hoffnung auf.
Er nickte lächelnd. »Ja, da bin ich mir ganz sicher.« Dafür würde er schon sorgen ...
Als sie einige Stunden später zum Wagen gingen, blieb Zek an einer windgebeugten Pinie stehen und blickte hinaus aufs Meer. »Wir haben diese Aussicht immer geliebt«, sagte sie.
Nathan konnte das gut verstehen. Er hätte viel darum gegeben, jetzt Misha bei sich zu haben und ihr diesen wundervollen Anblick zu zeigen. Nichts auf der Sonnseite ließ sich damit vergleichen.
Mit einem Mal wurde Zek schweigsam. Nathan blickte zu ihr hinüber und sah, dass sie die Stirn runzelte. Er folgte ihrem Blick zu einem Boot, das direkt unter ihnen vor dem Ufer lag. »Ein Kaïk«, sagte sie. »Ein Motorsegler. Das werden schon die ersten Urlauber sein. Sie mieten sich ein Boot und fahren in abgelegene Buchten wie diese hier. Manchmal klettern sie sogar zwischen den Bäumen nach oben, machen ein Picknick, lassen uns ihren Müll zurück und zertrampeln alles. Es werden von Jahr zu Jahr mehr. Ich glaube nicht, dass ich hier wohnen bleibe, nicht allein. Ich dachte, ich sei dazu in der Lage, aber ...« Abrupt hielt sie inne.
Nathan konnte ihr nachfühlen. Hier hatte sie mit Jazz gelebt, dies war ihr Zuhause gewesen und es verbreitete einen ganz eigenen Zauber. Aber das Boot war die Realität. Mit ihm brach die Wirklichkeit ein und zerstörte den letzten Rest von Magie. Es verdarb Zek die Abgeschiedenheit.
»Lass uns zu Jazz gehen«, sagte sie.
Zwischen Porto Zoro und Agasi bogen sie in einen steinigen, zwischen den Bäumen entlang führenden Feldweg ein. Auf einem felsigen Vorsprung glänzte weiß wie Alabaster eine kleine Kirche in der Mittagssonne und spiegelte sich in der funkelnden Wasseroberfläche der Bucht. Zwischen den Bäumen und dem Kieselstrand erstreckten sich fein säuberlich die gepflegten Grabreihen eines Friedhofs. Der Ort lag abseits der ausgetretenen Touristenpfade und seine Ruhe wurde durch nichts gestört.
»An der Stelle da drüben hat Jazz immer nach Zackenbarschen gefischt«, erklärte Zek. »Und als er wusste, dass es zu Ende ging ... hat er sich diesen Platz ausgesucht.«
Damit gingen sie an Jazz’ Grab. Nathan machte es ihnen leicht, allen beiden ...
Zum Schluss, als alles gesagt war und Zek ihre Tränen nicht länger zurückhalten konnte, verließ sie den Friedhof und ging hinunter zum Strand. Dort stand sie am Ufer des Meeres und Nathan sagte zu Jazz: Wir gehen jetzt.
– Es war nett von dir herzukommen, erwiderte Jazz. Und es ist riesig, was du für Zek getan hast, Harry wäre stolz auf dich! Aber, weißt du, es gefällt mir nicht, dass sie einsam ist und sich vor Schmerz verzehrt. Würdest du mir einen Gefallen tun? Wenn es dazu kommen sollte, dass jemand wirklich etwas für sie empfindet, könntest du dann dafür Sorge tragen, dass sie sich nicht schuldig fühlt? Ich meine, du kannst ihr sagen, dass sie deswegen keine Schuldgefühle zu haben braucht. Alles, was ich will, ist, dass sie glücklich ist. Das sollte sie wissen!
Nathan nickte. Wenn ich noch hier bin, wenn, falls dies geschieht, dann ... versprochen!
– Aber nicht eher!
– Natürlich nicht!
– Dann bin ich beruhigt, sagte Jazz ...
Nathan überließ Zek am Strand sich selbst, um ihr Gelegenheit zu geben, auf ihre Art damit fertig zu werden, und ging zurück zum Wagen. Dabei fiel ihm das Boot ins Auge, das sie vor Zeks Villa gesehen hatten. Es war auf den Strand gezogen, aber niemand befand sich darin. Ehe er Zeks Wagen erreichte, bemerkte er
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