Totenbeschwörung
Trask, allerdings sorgfältig darauf bedacht, Tzonovs »bloß« zu vermeiden. »Und ich halte ihn für Harrys Sohn, ja.«
Tzonov seufzte. »So viel habe ich Ihren Gedanken bereits, beinahe ohne es zu versuchen, entnommen. Als ich mich aber darauf konzentriert habe ...«
»Genau da liegt Ihr Fehler, Turkur«, meldete Goodly sich zu Wort. »Sie können uns nicht zwingen. Wir können Ihnen die Informationen freiwillig geben oder auch überrascht, hereingelegt oder belauscht werden. Aber von Angesicht zu Angesicht ... In dem Moment, in dem Sie Ihren Blick auf uns heften, wird ein posthypnotischer Befehl in uns wirksam, die Läden gehen runter und unsere Gedanken treiben ins Leere.« Ihm das zu verraten, machte nichts. Tzonov wäre ohnehin recht bald dahinter gekommen.
»Aha!«, meinte Tzonov mit einem dünnen Lächeln, das sofort wieder verschwand. »Aber ... unter solchen Umständen wird eine Zusammenarbeit nicht leicht fallen.« Er machte Anstalten, sich abzuwenden.
»So, wie Sie es sich vorstellen, wäre es überhaupt nicht gegangen!«, erwiderte Trask. »Unsere Gedanken gehören uns und sonst niemandem, Turkur.«
Der Russe sah ihn an. »Aber Sie befinden sich mir gegenüber im Vorteil«, sagte er scharf. In seiner Stimme schwang Enttäuschung mit. »Wenn ich lüge, sobald ich auch nur eine kleine Unwahrheit sage, werden Sie es sofort merken!«
»Dann versuchen Sie eben, bei der Wahrheit zu bleiben«, entgegnete Trask. Damit setzte er sich in Richtung der Magmasse-Ebenen in Bewegung. »Das dürfte Ihnen doch nicht allzu schwer fallen. Immerhin ist es Ihnen bisher ja ganz gut gelungen ...«
Auf dem Weg zurück zu ihrer Unterkunft sagte Trask: »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass Sie uns ein paar Fragen beantworten, Turkur. Warum haben Sie zum Beispiel nicht einfach die Gedanken Ihres Besuchers gelesen? Sie können ihn sich doch jederzeit, wann immer Sie wollen, selbst auf dem Schirm ansehen. Warum brauchen Sie mich, um die Wahrheit über ihn in Erfahrung zu bringen?«
Tzonov zuckte die Achseln. »Möglicherweise haben Sie sich die Antwort schon selbst gegeben. Vielleicht hat ihn ja auch jemand hypnotisiert! Glauben Sie mir, ich würde nichts lieber tun, als einen Blick in sein Bewusstsein werfen. Aber es geht nicht! Kann sein, dass die äußere Hülle der Sphäre dabei stört, der Ereignishorizont, der sich zwischen unserem Besucher und der Wand der Stahlzelle befindet. Möglicherweise hat es etwas mit dem Verzögerungseffekt zu tun, den Sie beobachten konnten, als er aufgestanden ist. Ich habe keine Ahnung. Aber was es auch ist, sein Bewusstsein ist für mich genauso eine leere Fläche wie das Ihre. Vielleicht wird alles ganz anders, wenn wir ihn erst einmal auf diese Seite herübergebracht haben. Wir müssen es abwarten.«
»Das ist die nächste Frage, die ich an Sie habe«, sagte Trask. »Wann werden Sie ihn herüberholen?«
Tzonov wusste, dass er sich keine Unwahrheit erlauben konnte. Darum antwortete er mit einem mehrdeutigen »Bald«. Als Trask und Goodly schließlich vor ihrem Zimmer standen, blickte er sie an und sagte: »Für Siggi wird es selbstverständlich kein Problem darstellen, Ihre Gedanken zu lesen. Ihr Talent beschränkt sich nämlich nicht auf den Augenkontakt.«
»Aber nur, wenn wir nicht aufpassen«, erwiderte Goodly. »Sie müsste uns schon erwischen, wenn wir die Hosen unten haben. Und das wäre nicht die feine englische Art, oder?«
»Sehen Sie«, lachte Tzonov, »das ist der große Unterschied zwischen unseren beiden Kulturen. Spielregeln! Sie haben welche, und wir nicht!«
»Außerdem haben wir aber auch ›Ladys‹«, entgegnete Goodly, »während es bei Ihnen lediglich ›Genossinnen‹ gibt.« Damit traten die britischen ESPer in ihre Unterkunft und schlugen Tzonov, dessen Lächeln immer gezwungener wurde, die Tür vor der Nase zu ...
Später saßen sie zu viert im Speisesaal des Perchorsk-Projekts beim Abendessen. Um die gemeinen Soldaten fernzuhalten, war eine sogenannte Offizieren und Wissenschaftlern vorbehaltene Offiziersmesse abgeteilt worden. Doch da es schon spät war, waren sie ohnehin unter sich. Die Temperatur in dem großen Saal war gerade eben zu warm, dennoch schien Siggi Dam sich trotz ihrer offenherzigen Kleidung rundum wohl zu fühlen. Nachdem Tzonov ihr aus dem Mantel geholfen hatte, wussten Trask und Goodly nicht mehr, wo sie hinschauen sollten, und waren tunlichst darum bemüht, nicht in ihre Richtung zu blicken.
Sie trug einen kurzen, eng anliegenden,
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