Totenbeschwörung
Kleider bequem aus, auch wenn sie ein bisschen abgetragen wirkten und voller Staub waren.
Trasks Blick fiel auf den Ring, den der Fremde am linken Ohr trug, eigentlich eher eine Art Schleife als ein Ring. Sie war nur etwas über zwei Zentimeter lang und bestand aus einem gelben Metall, wahrscheinlich Gold. Die Falten auf Trasks Stirn wurden womöglich noch tiefer. Schließlich wusste er, was es mit dieser merkwürdigen Form auf sich hatte. Es handelte sich um eine Möbiusschleife, das metaphysische Symbol, welches Harry Keogh als Schlüssel zu einer anderen Welt gedient hatte. Es war das letzte noch fehlende Stück in dem Puzzle. Auf einmal passte alles zusammen. Trask verbarg den Gedanken, so gut er konnte, sorgsam darauf bedacht, dass niemand etwas mitbekam.
Das also war, in wenigen Worten, der Besucher. Alles in allem erinnerte nichts an ihm an die schiere Körperkraft, die überhebliche, aggressive Arroganz und furchteinflößende Wandlungsfähigkeit der Wamphyri. Trask erkannte, dass er richtig gehandelt hatte, herzukommen und den Besucher als bloßen Menschen und nichts weiter zu identifizieren. Daneben fielen seine politischen Beweggründe nicht mehr ins Gewicht.
»Ausschalten!«, durchbrach Tzonovs Stimme seine Gedanken. Trask fuhr zusammen. Während das Bild von den Schirmen verschwand und einem trüben Grau wich, wandte er sich zu dem Russen um und sah ihm ins Gesicht ... Sofort fiel ihm der stechende Blick auf! Nun würde der Telepath sich keine Zurückhaltung mehr auferlegen, wenn es darum ging, Trasks oder Goodlys Gedanken zu lesen. Tzonovs graue Augen verloren jede Farbe, seine Pupillen wurden größer und größer, und zu jeder anderen Zeit hätte er mühelos in Trasks Gedanken geschaut. Doch diesmal gelang es ihm nicht. Denn als der Blick des Russen sich auf Trask heftete, rastete tief in dessen Gehirn etwas ein und leitete die telepathischen Fähigkeiten seines Gegenüber um in einen leeren Tunnel.
Tzonov konnte sich nicht erklären, wie so etwas überhaupt möglich war. Aber ihm war klar, dass er Trask nicht lesen konnte. Sein Geist war ihm verschlossen. Oder vielmehr, er war ihm zwar zugänglich, doch er sah nichts als eine leere Fläche vor sich! Goodlys bleiches Lächeln verriet ihm, dass für ihn dasselbe galt. Irgendjemand hatte seinen Geist ... abgesichert? »Hypnose!«, knurrte der Russe schließlich, während ihm der Kiefer nach unten klappte. Trasks Gesichtsausdruck sagte ihm, dass er richtig lag. »Ihr seid hypnotisiert worden! Wenn ich euch nur ansehe ... schaltet ihr einfach ab!«
Er schlug sich mit der Hand vor die Stirn, knirschte mit den Zähnen. Von einem Augenblick auf den anderen beruhigte er sich wieder und zwang sich sogar zu einem Lächeln, bis er bemerkte, dass die im Kern anwesenden Wissenschaftler ihn besorgt anstarrten. »Sie ... können wieder an Ihre Arbeit gehen«, herrschte er sie an, drehte sich auf dem Absatz um und machte sich wankend auf den Weg zurück zur Rampe.
Trask und Goodly sahen einander an. Dann folgten sie ihm. Am Eingang des Tunnels, durch den sie gekommen waren, blieb Tzonov stehen und wartete auf sie. Als sie die Stufen zu ihm emporstiegen, sagte er: »Ganz schön clever! Aber das war nicht abgemacht! Ich jedenfalls habe mich an unsere Abmachung gehalten!« Er hatte sich wieder unter Kontrolle, war jedoch kalt wie Eis.
»Wir ebenfalls!«, erwiderte Trask. »Aber es war nie die Rede davon, dass Sie unsere Gedanken lesen dürfen. Haben Sie je daran gedacht, einfach einmal zu fragen?«
Tzonov schürzte die Lippen. »Mitunter ... Mitunter kommt es mir fast so vor, als seien meine telepathischen Fähigkeiten mehr als nur ein Werkzeug. Manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Begabung mich vollkommen beherrscht. Und ich muss zugeben, dass es nicht leicht ist, ein solches Talent zu besitzen oder, wenn Sie so wollen, davon besessen zu sein und es nicht zu benutzen. Wenn ich zu weit gegangen bin, tut es mir leid. Es ist nur ... Es schien mir der einfachste Weg, das ist alles.« Trask wusste, dass Tzonov die Wahrheit sagte.
Der Russe las ihm das am Gesicht ab. Die Spannung wich von ihm und er nickte. »Nun gut, dann frage ich eben. Ist er das, was er zu sein scheint? Bloß ein Mensch, der Sohn von Harry Keogh? Oder wird uns hier etwas vorgegaukelt? Handelt es sich womöglich um einen Kundschafter oder Lockvogel, um einen Eindringling aus einer anderen Welt? Um etwas, das wir, ohne zu zögern, vernichten sollten?«
»Er ist ein Mensch«, entgegnete
Weitere Kostenlose Bücher