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Totenblick: Thriller (German Edition)

Totenblick: Thriller (German Edition)

Titel: Totenblick: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Blumenkühlkammer nach dem Rechten.
    Das Bestattungshaus hatte die offiziellen Geschäftsöffnungszeiten hinter sich gebracht, seine Sekretärin hielt zu Hause die Rufbereitschaft aufrecht und verteilte – je nach Eingang der Aufträge – die Arbeiten an die verschiedenen Fahrer. Gestorben wurde in Leipzig wie überall auf der Welt rund um die Uhr.
    Die neuesten Kränze sowie Gestecke waren gegen 18 Uhr geliefert worden und gingen morgen früh schon gegen elf Uhr raus zu einer Beerdigung: Uwe Reimers, 83 Jahre, Schlaganfall in den eigenen vier Wänden.
    Da sie in seiner Abwesenheit von seinem Azubi Jaroslaf in Empfang genommen worden waren, musste die Kontrolle durch den Chef zu dieser späten Stunde erfolgen. Jaro war ein Guter, schlau und auf Zack, aber er hatte die Liste nicht zur Hand gehabt. Die Liste mit dem genauen Wortlaut, was auf den Sprüchen der Bänder stehen sollte.
    Korff zog den Ausdruck aus der Sakkotasche und entrollte ihn. Dabei blitzten die polierten Silbernelken am Ring auf, die den Stein in der Fassung hielten; ein Lichtreflex zuckte über den ungewöhnlichen blauwässrigen Harlekin-Opal mit den dunklen Einschlüssen.
    Wenn eines wichtig war in seinem Leben, dann dass er diesen Schmuck trug. Tag und Nacht. Seine Versicherung gegen die größte Katastrophe, die man sich als normal denkender Mensch nicht ausmalen konnte. So besonders der Ring aussah, so außergewöhnlich war seine Wirkung – zumindest auf den Bestatter.
    »Kranz eins«, sagte er leise und ordnete das Schmuckband. Sorgfältig achtete er auf den Wortlaut, prüfte die Buchstaben, die Anordnung, die Lesbarkeit.
    Als Bestatter hatte er schnell lernen müssen, dass die Gärtnereien und Floristen nicht immer genau oder zu genau arbeiteten und Schreibfehler gnadenlos übernahmen.
    Da wurde schon mal »Tande Gerda« begraben, es wurde »zutiefst gedrauerd« oder mit der Interpunktion jongliert.
    Miserabel waren die beiden Kränze aus einem Pietäts-Internet-Shop namens Goodbye Buy gewesen, die ein Kunde hatte kommen lassen. Nicht nur, dass sich die Formulierung dauergrün als Plastik-Efeu herausstellte, nein, es war auch noch gelogen: Die Farbe rieb sich beim geringsten Kontakt mit allem, was härter als ein Wattebausch war, ab.
    Ein anderer findiger Florist hatte rote Blumen kurzerhand weiß gesprüht, was beim Regenguss zur Folge gehabt hatte, dass der Sarg plötzlich von weißen Schlieren überzogen war.
    Da sich in solchen Fällen die Trauergemeinde über den Bestatter und nicht den Verursacher aufregte, hielt es Korff sehr genau mit der Kontrolle.
    Nach den Aufdrucken prüfte er die Farbhaltbarkeit der gelieferten Ware und verließ etwa fünfzehn Minuten später die Kühlkammer, zog sich einen kleinen Espresso aus der Kaffeemaschine im Frühstücksraum der Belegschaft und setzte sich im Dunkeln in sein Büro.
    Er genoss die Stille und trank so leise wie möglich von dem schwarzen Gebräu, um die Ruhe in den vier Wänden nicht zu zerstören.
    Ein aufregender Tag lag hinter ihm. Während sich Kinder über vom Nikolaus gefüllte Stiefel freuten, bekam die SoKo Bildermorde – ein widerliches Präsent.
    Korff hatte in seinem Leben viel getan, viel gesehen, viel erlebt, und darunter war etliches an Grausamkeit gewesen. Doch was sich der oder die Täter ausdachten, setzte einen neuen Maßstab in Sachen Widerwärtigkeit.
    Guernica.
    Das Bild, das der Wahnsinnige aus den Leichen seiner Opfer entwarf, die gesamte Hintergrundarbeit, die Grundierung der Wand, die Befestigung der Toten mit Draht und sonstigen Hilfsmitteln … das konnte nur ein sehr kranker Geist sein, der sich austobte.
    Korff schauderte.
    Was konnte eine Menschenseele derart schädigen, dass sie Unschuldigen so etwas antat?
    Ein Trauma, ohne Frage.
    Wie war es entstanden?
    Oder gehörte der Täter in die Kategorie der natürlich geborenen Psychopathen mit sozialen Störungen, die verborgen geblieben oder geschickt versteckt worden waren?
    Möglicherweise hatte er sich in Phantasien ausgetobt, an Tieren im kleinen Stil geübt und versucht, den Druck auf diese Weise abzulassen, bis es nicht mehr ging.
    Korff nippte an der Tasse. Gut, dass er sich mit so etwas nicht beschäftigen musste. Es gehörte in Bernankes Ressort und in das der Polizei-Profiler.
    Sein Leben war bis vor wenigen Monaten mehr als aufregend gewesen. Mit Verfolgungsjagden, ebenfalls vielen Toten und einer herben Enttäuschung, was sein Liebesleben anging, der aber Besserung folgte. Marna.
    Korff

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