Totenblick: Thriller (German Edition)
nicht zuletzt ein Ölgemälde, das einen gelangweilten Cockerspaniel vor einem Teich mit Schilf und toter Ente im Maul zeigte.
Er setzte sich in den Sessel, weil sie sicherlich damit rechnete, er würde die Chaiselongue wählen. Gut gelaunt wartete er auf ihre Rückkehr und öffnete den schwarzen Hoody, auf den »Laib mit Seele« aufgedruckt war. Er machte gerne Werbung für seine Schwester.
Flatow kehrte zurück und stutzte nicht einmal, als sie ihn auf dem Sessel vorfand. Sie flegelte sich stattdessen auf die Liege, faltete die Hände auf dem Bauch und lächelte Ares an. »Chaben Sie sich Gedanken gemacht uberr das, was Sie wiessen wollen aus Ihrer Vergangencheit?«
»Nein«, gab er zu und legte nach: »Sie werden bei mir nichts erreichen, Frau Flatow. Wir können das abkürzen, wenn Sie wollen.«
»Ah. Großer Mann denkt, seine Muuskeln chelfen auch chier.« Sie kicherte. »Das chaben schon gaanz andere Leute als Sie geesagt, Cherr Löwenstein.«
»Andere. Ja.« Er grinste. »Pendeln Sie sich mal ein, Frau Flatow. Und wenn ich Ihnen auf den Leim gehe, bekommen Sie ein Leben lang meine Gratisdienste als Personal Trainer.«
Sie runzelte die Stirn. »Was ist Personelldreena, bitte?«
»Jemand, der Sie fit macht.«
Flatow lachte sehr herzlich und wehrte mit beiden Händen ab. »Niet, niet, Cherr Löwenstein, dann nehme ich lieber eine Flasche Wodka. Guten Wodka. Nicht unter chundert Euro.«
»Abgemacht.« Er lehnte sich nach hinten, legte die Arme auf die Lehnen. »Was soll ich machen?«
Sie erhob sich und drückte einen Knopf neben dem Kamin. Es zischte und knackte leise, dann schossen bläuliche Flammen aus dem unteren Rost, die mit Gas gespeist wurden. »Schauen Sie chier cherein, Cherr Löwenstein. Immer auf das Feuer, bitte.« Sie stellte sich hinter seinen Sessel.
Mit einem leisen Klingeln fiel ein goldenes Amulett vor seinem Gesicht aus der Luft, wurde von einer goldenen Kette in seinem Sturz aufgehalten, hüpfte, tanzte und drehte sich.
Ares erkannte kyrillische Zeichen, magische Symbole und vier blasse Steine, die Zirkonia sein konnten.
Flatows dunkelbraun lackierte Fingernägel erschienen, hielten das Schmuckstück an, so dass es ruhig und sehr dicht vor seinen Augen schwebte. Das Feuer im Kamin wurde fast davon verdeckt.
»Achten Sie nuur auf meine Stimme, Cherr Löwenstein«, vernahm er ihre sehr leise gesprochene Anweisung, »auf meine Stimme und schauen Sie in die Flammen.«
Das Amulett schwang langsam nach rechts und links, verschwand an den Rändern aus Ares’ Gesichtsfeld und kehrte wieder zurück. Die blitzenden Steine zogen im Feuerschein einen Schweif hinter sich her. Auch die Symbole schienen sich bei jedem Vorbeischnurren neu angeordnet zu haben.
»Nicht auf das Amulett«, erinnerte Flatow ihn sanft. »Auf die kleinen Flämmchen. Schauen Sie auf die kleinen Flämmchen. Und chören Sie auf meine Stimme. Sie entspannen sich und folgen dem Klang meiner Worte.«
Ares grinste breit und tat, was sie verlangte, während sie redete und redete.
Anfangs geschah nichts, bis er irgendwann merkte, wie ihn Müdigkeit befiel. Gegen ein Nickerchen hatte er nichts.
Das gleichförmig vorbeiziehende Amulett unterbrach jedes Mal kurz den Sichtkontakt zum Kamin; er schloss immer öfter die Lider und nahm nebenbei wahr, dass sich erstens die Stimme verändert hatte und zweitens die Sprache ins Russische gewechselt war.
Ein Singsang, der ihn gefangen nahm und an seinem Bewusstsein zog, in seinen Verstand eindrang und sich festsetzte, wie ein einprägsames Lied, gegen das man sich nicht zu wehren vermochte.
Und der Bilder heraufbeschwor und Traumwelten erschuf … aus denen unvermittelt ein bekanntes Gesicht auftauchte. Ein altes. Ein verfluchtes. Ein gefürchtetes.
… ruckartig hob Ares die Lider. Das ließ er auf keinen Fall zu.
Er räusperte sich, da sich seine Kehle sehr trocken anfühlte. »Danke sehr, Frau Flatow«, sagte er und blinzelte absichtlich zwei-, dreimal intensiv. Er hielt das Pendel an, das vor seiner Nase schwang. »Lassen Sie es gut sein.«
»Was chaben Sie getann, Cherr Löwenstein?« Sie kam um den Sessel herum. Auf ihrem freundlichen Oma-Gesicht spiegelte sich Überraschung.
»Ich bin aufgewacht, weil ich es wollte.«
»Aber warum? Was chaben Sie gesänn?«
»Gesehen?« Er zögerte. »Na, nichts habe ich gesehen. Nur Ihr Amulett, den Kamin, dann bin ich eingeschlafen, weil Sie mir ein russisches Schlaflied vorgesungen haben, und dann beschloss ich, mich nicht auf die
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