Totenblick: Thriller (German Edition)
sie. »Schick! Habe ich deine Beförderungsfeier zum Kriminalrat verpasst?«
»Oper«, erwiderte er lakonisch. »Da muss man sich fein machen.«
»Muss man das?«
»Ich schon. Ein Zeichen des Respekts vor dem Werk und den Musikern.« Rhode sah zu ihrem Begleiter. »Wart ihr im Varieté?«
Sie nickte, ihr brauner Pferdeschwanz wackelte. »Sie haben ein neues Programm, und ich kann es nur empfehlen. Der Equilibrist ist Wahnsinn. Freddy war ein bisschen eifersüchtig. Dabei kann er es von der Figur her mit dem Artisten aufnehmen.« Sie seufzte zufrieden. »Ausspannen tut gut.«
Rhode wusste, was sie damit meinte. »Ich scheuche euch ganz schön, oder?«
Schwedt nickte. »Aber das ist in Ordnung. Umso frustrierender ist es, dass wir noch nichts gefunden haben. Keine Verbindungen zwischen historischer Vorlage und Opfer. Dieser Spruch von der Wahrheit, die im Auge des Betrachters liege, taugt gar nichts.« Sie legte einen Finger ans Kinn. »Wir haben uns das Bild und den Tatort Millimeter für Millimeter angeschaut, verglichen, vergrößert. Es gibt kein Detail, das wir nicht kennen. Den letzten Erkenntnissen nach hat er Wolke nur ausgesucht, weil er dem gemalten Marat so ähnlich sah. Auch eine Form von Wahrheit, oder?« Ihr Gesicht verlor die Leichtigkeit. »Ich würde sonst was dafür geben, diesen Verrückten zu schnappen, bevor er wieder zuschlägt, Peter. Denn das wird er.«
Rhode verzog den Mund. »Ich wollte dir nicht den Abend verderben, Anke. Entschuldige, ich hätte …«
Sie wehrte mit einer Geste ab. »Chef, wir sind eine SoKo. Da ist immer Alarm. Das mag ich an dem Job. Es tut mir nur leid um die Opfer, bei aller kriminalistischer Herausforderung für mich. Wenn ich das verlieren sollte, bin ich zu abgestumpft und höre auf.«
»Glaubst du?«
»Habe ich meinen Eltern versprochen.«
Rhode hatte mit dem Dienstlichen aufhören wollen, aber da sie schon mal vor ihm saß und sonst niemand aus dem Dezernat mithören konnte … »Sollte der Täter erneut handeln, muss ich die SoKo aufstocken. Und das sage ich nicht nur, weil der alte Wolke uns im Nacken sitzt. Die Bedrohung für die Leipziger und unsere Leute ist zu groß.« Allein den Namen des Intendanten aussprechen zu müssen kostete ihn Überwindung. Am besten wäre es, der allgegenwärtige Mann verschwand, bis der Fall gelöst war, aber Wolke würde sich wohl kaum von ihm ins Exil schicken lassen.
»Du spielst auf den Totenblick an.«
»Ja. Er hat Herold auf dem Gewissen und stellte sich dabei sehr geschickt an. Dumme Mörder sind mir lieber als schlaue Psychopathen.« Der Hauptkommissar fixierte sie. »Sollte ich die SoKo erweitern, hätte ich dich gerne als zweite Leiterin, Anke.«
»Mich?« Die junge Kriminalbeamtin war freudig überrascht. »Äh. Und Lackmann?«
»Nichts gegen Lackmann, aber er ist alkoholkrank. Jeder weiß es, und einen unzuverlässigen stellvertretenden Leiter kann ich mir bei diesem Fall nicht leisten. Du bist clever, eigenständig und hast Gespür.« Rhode schlürfte am Cocktail. »Geht das für dich in Ordnung?«
»Ja. Sicher!«, antwortete Schwedt überwältigt. Sie fürchtete sich nicht vor der Verantwortung, das war leicht zu erkennen. »Nimm mir das nicht übel, ich wünsche es mir nicht. Das würde nämlich bedeuten, dass es noch einen Mord gibt.«
»Ich verstehe das schon richtig.« Rhode zeigte zu Freddy. »Und jetzt Abmarsch, Anke. Genieß den Abend mit deinem Neuen. Er ist doch neu?«
Sie strahlte und erhob sich. »Mache ich, Chef. Und: Ja, er ist neu, und: nein, ich habe ihn dir nicht vorgestellt. Erst einmal abwarten, was wird.« Schwedt ging zum Tisch, an dem Freddy wartete, und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss, setzte sich für Sekunden auf seinen Schoß und schlang die Arme um seinen Nacken. Erst dann wechselte sie auf einen der schmalen Stühle und nahm seine Hand.
Rhode freute sich für die junge Kollegin. Sie würde es weit bringen, und er würde ihr jede Möglichkeit schaffen, um sich zu profilieren. Durch Leistung und nichts anderes. Sollte sie Mist bauen, würde er ihr das unmissverständlich vor Augen halten.
Sein Cocktail war leer. Rhode bestellte ein Mineralwasser zum Abschluss und bereitete sich mental darauf vor, nach Hause zurückzukehren. Eine kurze Nacht, der ein arbeitsreicher Tag folgte.
Er würde dem Gott der Kriminalistik ein Opfer bringen, sobald sich eine Spur im Bildermord ergäbe. Der Polizeipräsident fragte täglich nach neuen Ergebnissen und machte sich zum
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