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Totenblick: Thriller (German Edition)

Totenblick: Thriller (German Edition)

Titel: Totenblick: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Er hatte den Dämonenengel auf die Seite gedreht, damit es der Kameralinse nicht gleich auffiel. Mit einer Hand formte er ungeduldig den Musketierbart nach.
    »Sie wünschen?«, kam es aus dem Lautsprecher auf Deutsch mit russischem Akzent.
    Ares musste an Antonowa denken. Er beugte sich nach vorn, näher an das Mikro. »Guten Tag. Mein Name ist Ares Löwenstein. Ich suche meinen Freund, Richard Georg Wolke, den Intendanten der Oper. Mir wurde gesagt, er war am 13. November hier, um die Sache mit dem russischen Bass zu besprechen?«
    Es trat eine kurze Pause ein.
    »Haben Sie Ihren Personalausweis dabei?«, kam es höflich aus der Box.
    »Ja.«
    »Halten Sie ihn bitte an die Kameralinse, Herr Löwenstein. Zuerst die Vorderseite, dann die Rückseite.«
    Er befolgte die Anweisung.
    »Vielen Dank, Herr Löwenstein.« Das Tor öffnete sich mit einem Summen. »Der persönliche Assistent des Konsuls erwartet Sie.«
    Ares begriff noch nicht ganz, woher der Gesinnungswandel der Towarischtschs rührte. War der Schlüssel vielleicht, dass er den wohl kaum legalen Deal mit dem Opern-Bass gegen Geld erwähnt hatte? Das würde er gleich herausfinden.
    Wenigstens tat sich in Sachen Wolke senior etwas. Seine Patrouillen durch die Südvorstadt erwiesen sich als Schuss in den Ofen. Der Messermann tauchte nicht wieder auf, die Träume blieben.
    »Danke.« Ares setzte einen Fuß über die Schwelle und war sich bewusst, dass er damit deutschen Boden verließ. Mehr oder weniger. Es war zwar keine Botschaft, sondern nur ein Konsulat, aber er vermutete, dass es sich rechtlich ähnlich verhielt.
    Bei dem Gebäude handelte es sich um eine alte stattliche Villa mit vielen ausgebauten halbrunden Erkern und einer Dachterrasse. Das Areal sah sehr gepflegt aus, der zarte Schneeflaum auf den Bäumen und dem Dach verwandelte es in eine malerische Märchenlandschaft. Am Fahnenmast wehte die russische Fahne im leichten Wind.
    Während er auf den Eingang zumarschierte, öffnete sich die Tür, und ein Mann mit kurz gestutztem, dunklem Vollbart erschien; er trug einen Anzug und eine schwarzgerahmte Brille, die sein Gesicht noch ernster machte, als es ohnehin wirkte.
    »Guten Tag, Herr Löwenstein«, sprach er mit russischem Akzent und gab die Tür frei. Dabei wurde der Pferdeschwanz sichtbar, der die gleiche Farbe wie sein Bart aufwies. »Mein Name ist Wasili Sorokin, ich bin der Attaché des Konsuls.« Er wartete, bis Ares an ihm vorbeigegangen war. »Willkommen. Und gleich nach rechts durch die erste Tür, Herr Löwenstein.«
    »Danke.« Ein Paravent mit rot-goldenem Muster stand so, dass er keinen Blick auf das Entree des Gebäudes werfen konnte. Man hinderte ihn geschickt und stilvoll daran, sich genauer zu orientieren.
    Er gelangte in einen Besprechungsraum mit der Altbaudeckenhöhe, die er in einer solchen Villa erwartet hatte. Die Holzvertäfelung musste vor kurzem restauriert worden sein; an den Wänden hingen Gemälde, auf denen die Taiga, alte russische Dörfer und Sankt Petersburg zu sehen waren. Das Konterfei des aktuellen Präsidenten sowie mehrere Ikonen durften nicht fehlen.
    Auf dem Tisch brodelte der obligatorische Samowar vor sich hin. Es roch nach starkem Tee und Marmelade, die in einem kleinen Schälchen auf dem Tablett neben den Tassen stand und als Zuckerersatz gedacht war. Milch gab es selbstverständlich auch. Ebenso Wodka: Die Flasche mit dem klaren Inhalt und die kleineren Wassergläser drumherum machten deutlich, was man im Konsulat außerdem anzubieten pflegte. Russische Nationalgetränke eben.
    »Nehmen Sie Platz, Herr Löwenstein.« Sorokin nahm ihm den Mantel ab und hängte ihn an die kleine Garderobe. Kaum saß er, zapfte ihm der Attaché einen Tee, gab Marmelade und Milch hinein und stellte die Tasse vor ihm ab. »Bitte sehr.« Er nahm sich das Gleiche.
    »Sehr freundlich.«
    »Das ist die Gastfreundschaft des russischen Volkes.« Sorokin schenkte jedem einen Wodka ein und schob Ares ein Glas hin. Es war mehr als zwei Finger hoch gefüllt. Ein wenig feierlich hob der Attaché den Drink. »Herr Löwenstein, gewähren Sie mir die Ehre.«
    Ares nahm den Wodka. Hartstoff war er aus seinen Demons -Zeiten gewohnt, vor allem Wodka. Kein Russe mit der Hälfte seines Gewichts würde ihn unter normalen Umständen unter den Tisch saufen. »Welche Ehre meinen Sie, Herr Sorokin?«
    »Heute ist in Deutschland der Tag des heiligen Nikolaus. Wir Russen rechnen zwar nach dem julianischen Kalender, doch ich möchte Deduschka Moros nicht

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