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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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dass der Junge ertrunken ist. Und als wir an die Brücke kamen, drüben am Fluss bei der Kirche, Sie wissen schon, da hat er völlig die Nerven verloren. Er hat nur noch geheult und gezittert. Wir haben es gerade noch so geschafft, ihn wieder halbwegs zu beruhigen, bevor wir ins Krankenhaus zurückmussten.»
    «Hat er Ihnen denn gesagt, wovor er solche Angst hat? Gab ihm irgendwer die Schuld am Tod des Jungen?»
    «Er konnte sich schon vor dem Zusammenbruch nicht sonderlich gut ausdrücken. Klar haben wir ihn gefragt, aber das schien es nur noch schlimmer zu machen.»
    «Aber Sie haben ihn dann noch zweimal besucht, als er wieder zu Hause war?»
    «Ja, da machte er einen viel besseren Eindruck. Julie meinte zwar, er will das Haus nicht verlassen. Aber er schien gefasst.»
    «Seine Schwester hat sich sicher gefreut, ihn wieder zu Hause zu haben.»
    Armstrong beugte sich vor und stützte die Arme auf die Frühstückstheke. Er hatte harte, schwielige Hände mit auffallendkurzen Nägeln. «Kann schon sein.» Er schwieg einen Moment, musterte seine Hände. «Aber es war auch für sie nicht leicht. Meistens kam sie nicht sonderlich gut mit Luke aus. Sie kommt wohl zu sehr nach ihrem Vater, um wirklich tolerant zu sein. Vielleicht hat es sie auch einfach genervt, dass ihre Mutter sich eigentlich immer nur mit ihm befasst hat.»
    Sie hörten, wie oben eine Tür zufiel, dann kamen Schritte die Treppe hinunter, und Kath schaute in die Küche. Sie trug ihre Schwesterntracht und hatte sich die Haare hochgesteckt.
    «Darf ich? Oder wollen Sie lieber mit Geoff allein reden?»
    «Immer rein mit Ihnen», sagte Vera. «Jetzt kommt nämlich der schwierige Teil des Gesprächs, da kann ich Ihre weibliche Vernunft gebrauchen. Dann geht Ihr Mann vielleicht nicht gleich an die Decke.»
    «Was meinen Sie denn damit?»
    «Ich muss Sie beide fragen, wo Sie waren, als Luke ermordet wurde. Das heißt nicht, dass ich glaube, Sie hätten etwas mit dem Mord zu tun, aber fragen muss ich. Das verstehen Sie doch?»
    «Natürlich», sagte Kath.
    «Geoff?»
    Er nickte widerwillig.
    «Ich war bei der Arbeit», sagte Kath. «Ich arbeite in der gynäkologischen Abteilung des Royal Victoria. Wir waren zu dritt. An dem Abend war die Hölle los. Zwei Notfälle aus der Unfallstation, ich hatte nicht mal Zeit, eine Pause zu machen. Und Geoff war die ganze Nacht hier bei Rebecca.»
    «Übernehmen Sie immer die Nachtschicht?»
    «Ja, zumindest seit ich wieder angefangen habe, nachRebeccas Geburt. Das funktioniert ganz gut für uns. Geoff ist selbständig. Die meisten Aufträge bekommt er von einem Bauunternehmer in Shields, Barry Middleton. Geoff übernimmt alle Stuck- und Schreinerarbeiten für ihn. Barry hat einen guten Ruf, es gibt regelmäßig Arbeit, aber Geoff kann sich seine Zeit trotzdem selbst einteilen und Familie, Schule und Ferien mit einplanen. Wenn ich morgens nach Hause komme, hat er Rebecca schon für die Schule fertig gemacht, und freitags holt er sie auch ab. Und wenn ich abends ins Krankenhaus muss, geht sie sowieso bald ins Bett. So kommen wir zwar beide nicht oft unter die Leute, aber Rebecca hat so viel wie möglich von uns.»
    «Ist Ihre Tochter in der Nacht, als Luke ermordet wurde, irgendwann aufgewacht?»
    Sie hatte die Frage eigentlich an Geoff gerichtet, doch wieder antwortete Kath. «Sie wacht niemals auf! Das ist ein echtes Phänomen. Seit sie sechs Wochen alt ist, schläft sie durch. Wenn sie einmal im Bett liegt, hört man bis sieben Uhr morgens keinen Pieps mehr von ihr.»
    Eine unbehagliche Stille hing im Raum. Noch während sie sprach, schien Kath zu begreifen, wie man ihre Worte auch auslegen konnte. «Aber er würde sie natürlich niemals allein lassen!», setzte sie eilig hinzu. «Sie haben ihn doch mit ihr gesehen. Er würde niemals aus dem Haus gehen und sie hier allein lassen.»
    «Geoff?»
    «Natürlich habe ich sie nicht allein gelassen», sagte er, und Vera spürte, wie er sich am Riemen riss, wie um ihr und Kath zu beweisen, dass er dazu fähig war, dass er nicht mehr einfach so die Beherrschung verlor. «Ich käme nicht mal bis zum Ende der Straße, ohne mir die schrecklichsten Sachen auszumalen. Dass ein Brand ausbricht. Dass sie plötzlich krank wird. Das würde ich niemals tun. Außerdemkonnte ich Luke doch besuchen, wann ich wollte. Wieso sollte ich dann mitten in der Nacht hinfahren?»
    «Fein», sagte Vera. «Dann können wir ja jetzt weitermachen, wo das aus der Welt geschafft ist.»
Dabei war es gar nicht

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