Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
Vom Netzwerk:
Tag. Vera stand bereits vor der Haustür und hatte gerade geklingelt, als Armstrong die Einfahrt hinaufkam. Er hielt ein kleines Mädchen an der Hand, das gerade erst in die Schule gekommen sein konnte und aussah wie der Traum einer jeden Werbeagentur: blonde Locken, Sommersprossen und riesige braune Augen und dazu das obligatorische rote Trägerkleid aus Baumwollstoff.
    «Ja?», sagte Geoff Armstrong. Es war nur ein Wort, doch Vera hörte den aggressiven Unterton, der Julie solche Angst gemacht hatte.
    Bevor sie noch antworten konnte, wurde die Haustür geöffnet. Im Türrahmen stand eine zierliche Frau. Sie trug einen Bademantel und blinzelte ins Sonnenlicht, schien es aber nicht weiter unangenehm zu finden, sich in diesem Aufzug zu zeigen. Sie wusste offenbar, dass sie trotzdem noch gut aussah.
    «Kath arbeitet in der Nachtschicht», erklärte Armstrong ungeduldig. «Ich komme freitags extra früher von der Arbeit, um Rebecca abzuholen, damit sie eine Stunde länger schlafen kann.»
    «Tut mir leid, Herzchen», sagte Vera, an die Frau gewandt. «Das hat mir keiner gesagt.» Dann kramte sie ihren Polizeiausweis hervor, sodass beide ihn sehen konnten. «Darf ich reinkommen?»
    Sie setzten sich in die kleine Küche, nachdem Rebecca mit einem Glas Saft und ein paar Keksen vor einer Kindersendung geparkt worden war. Kath setzte Wasser auf und zog sich dann zurück, um sich anzuziehen. Als Vera sich erneut entschuldigen wollte, weil sie sie geweckt hatte, winkte sie nur ab.
    «Bei dem Wetter kann doch sowieso kein Mensch schlafen. Die Leute hören im Garten Radio, die Kinder spielen draußen. Außerdem ist das doch auch wichtig. Der arme Luke.» Sie blieb noch einen Moment in der Tür stehen und ging dann nach oben. Sie hörten sie über sich: Schritte, eine Schranktür, die geöffnet wurde, dann das Rauschen der Dusche.
    Sie hatten sich auf die hohen Barhocker vor der Frühstückstheke gesetzt, und Vera dachte sich, dass sie wahrscheinlich zum Schießen aussahen, wie zwei übergewichtige Zwerge auf langstieligen Pilzen. «War Luke denn oft hier?», fragte sie Geoff Armstrong.
    «Bevor er krank wurde, ja. Öfter als Laura. Ich hatte gedacht,sie freut sich, als Kath ein Baby bekam. Eine kleine Schwester. Aber irgendwie kann sie Rebecca nicht leiden. Luke hatte einen viel besseren Draht zu ihr, schon als sie noch ganz klein war.»
    «Und seit er aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war er nicht mehr hier?»
    «Nein. Kath wollte ihn eigentlich letztes Wochenende holen, aber ich war mir nicht sicher   …»
    «Sie waren in Sorge wegen der Kleinen?»
    «Nicht, dass er ihr etwas tun würde oder so was. Aber ich dachte, es würde sie vielleicht verstören, wenn er sich seltsam benimmt.» Armstrong schwieg einen Moment. «Als ich noch zu Hause wohnte, konnte ich nie besonders gut mit Luke. Kath meint, das wäre verletzter Stolz. Ich wollte einen kräftigen, ehrgeizigen, sportlichen Sohn, der so ist wie ich, nur eben noch besser. Wahrscheinlich habe ich mich irgendwie geschämt, weil er so anders war als die anderen Jungs.»
    Vera dachte, dass Geoff Armstrong sich seit der Trennung von Julie offensichtlich verändert haben musste. Kath schien einen mildernden Einfluss auf ihn zu haben. Vielleicht hatte sie ihm aber auch nur beigebracht, den Schein zu wahren.
    «Sie haben ihm gegenüber oft die Beherrschung verloren.»
    Er sah sie entsetzt an, und Vera rief sich in Erinnerung, dass er ein trauernder Vater war. Sie hatte kein Recht, so mit ihm zu reden.
    «Es war eine schlimme Zeit damals», sagte er. «Ich hatte meine Stelle verloren, wir hatten kein Geld, und Julie und ich stritten ständig. Zuletzt habe ich aber immer versucht, mehr auf ihn einzugehen. Dann ist dieser Junge ertrunken, mit dem er so viel zusammen war, und das hat Luke völligaus der Bahn geworfen. Man kam überhaupt nicht mehr an ihn ran.»
    «Haben Sie ihn im Krankenhaus besucht?»
    «Kath und ich sind zusammen hin. Alleine hätte ich das sicher nicht gepackt. Die ersten paar Male war er total mit Medikamenten vollgepumpt. Ich weiß gar nicht, ob er mitgekriegt hat, dass wir da waren. Aber irgendwie schien er immer noch wahnsinnige Angst zu haben. Andauernd ist er zusammengezuckt, wenn jemand unvermittelt auf ihn zukam oder so. Als es ihm besserging, haben wir ihn einmal einen Nachmittag rausgeholt. Wir waren Pizza essen, ein bisschen in Morpeth spazieren. Er hat wieder mehr geredet, war aber immer noch schreckhaft. Er meinte, es wäre seine Schuld gewesen,

Weitere Kostenlose Bücher