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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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sehr wichtig.»
    «Erzählen Sie mir davon.»
    «Ich bin Tontechniker. Freiberuflich. Ich mache alles, vom Operngastspiel in der Stadthalle bis zum Great North Run. Außerdem bin ich bei zwei Bands fest als Techniker, die nehmen mich auch immer mit auf Tournee.»
    «Hört sich ja aufregend an.»
    «Nicht besonders. Folk-Clubs, Kleinkunstbühnen. Dieselben langweiligen Durchschnittsmusiker, die immer dieselben langweiligen Lieder singen. Eine Nacht im Travelodge-Hotel, dann muss man den Tourneebus schon wieder vollladen und an den nächsten Ort fahren, den man gleich wieder vergisst.» Erst als er sich reden hörte, wurde ihmklar, wie sehr ihm das alles inzwischen zum Hals heraushing. Er war zu einer Entscheidung gelangt, mit der er sich schon seit einer Woche herumschlug. «Ich höre auf damit. Mit der freiberuflichen Arbeit. In letzter Zeit habe ich ziemlich häufig im Sage Music Centre in Gateshead gearbeitet, und die haben mir neulich eine feste Stelle angeboten. Geregeltes Einkommen, bezahlter Urlaub, eine sichere Rente. Irgendwie klingt das alles plötzlich ganz verlockend.»
    «Dann wollen Sie also sesshaft werden? Warum denn gerade jetzt?»
    «Wahrscheinlich werde ich alt», sagte Gary. «Das muss es wohl sein. Und die spätnächtlichen Essen beim Kleinstadt-Inder reizen mich auch nicht mehr so richtig.»
    «Dann ist es also nicht wegen einer Frau?»
    Einen Moment lang zögerte er, dann dachte er sich: Was geht die das an? «Nein, Inspector», sagte er. «Es ist nicht wegen einer Frau. Und schon gar nicht wegen Lily Marsh.»
    Sofort fragte er sich, ob es ein Fehler gewesen war, den Namen zu wiederholen. Womöglich kam sie so doch noch auf die Idee, dass er das Mädchen gekannt hatte? Doch Vera Stanhope ging nicht darauf ein und wandte sich wieder den anderen zu, die um den Tisch saßen. Und plötzlich war Gary erleichtert, dass er als Erster drangekommen war. Er trank einen Schluck aus seinem Glas, das zu seiner Überraschung noch praktisch voll war. Jetzt würden die anderen in die Mangel genommen werden. Doch Vera setzte gerade zu einer nächsten Bemerkung an, da klingelte ihr Handy. Sie stand auf und entfernte sich ein Stück, um den Anruf entgegenzunehmen. Sie blieb am anderen Ende der Terrasse im Dunkeln stehen. Wie um zu zeigen, dass sie sich kein bisschen für dieses Telefonat interessierten, fingen sie ein Gespräch untereinander an, doch als sie an den Tisch zurückkam, schwiegen sie alle wieder.
    «Tut mir leid, Herrschaften», sagte die Polizistin munter. «Ich muss los. Aber machen Sie sich keine Gedanken, ich habe ja Ihre Adressen. Ich melde mich dann bei Ihnen.»
    Sie machte allerdings keine Anstalten zu gehen.
    Felicity erhob sich. «Ich bringe Sie noch zur Tür.»
    «Interessiert es Sie eigentlich gar nicht, wie sie gestorben ist?» Vera schaute von einem zum anderen.
    «Ich bin davon ausgegangen, dass es Selbstmord war», sagte Felicity erschrocken. «Es wirkte doch alles so dramatisch und inszeniert.»
    «Sie wurde erwürgt», sagte Vera. «Das kriegt man schlecht alleine hin.»
    Alle sahen sie schweigend an.
    «Noch eine letzte Frage: Sagt einem von Ihnen der Name Luke Armstrong etwas?»
    Keiner antwortete.
    «Das werte ich dann mal als Nein», bemerkte Vera gereizt. «Er wurde ebenfalls erwürgt. Gar nicht so weit von hier.» Sie musterte die Anwesenden, wartete auf eine Reaktion. «Und die beiden Fälle haben auch sonst einiges gemeinsam. Ich muss Sie ernsthaft bitten, nicht über diese Sache zu reden. Vor allem nicht mit der Presse, aber auch mit sonst niemandem. Das verstehen Sie doch sicher.»
    Immer noch sagte keiner ein Wort, und schließlich folgte Vera Felicity ins Haus. Gary, der selbst schon das eine oder andere Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, sah ihr nach und dachte sich, dass er so einer Polizistin auch noch nicht begegnet war.

KAPITEL ZWÖLF
    Vera Stanhope musste zum Verbrechensschauplatz zurück. Der leitende Tatortbeamte hatte sich beklagt, die Sache sei eine einzige Katastrophe. Es sei einfach nicht genug Zeit, um sorgfältig zu arbeiten. Die Leiche war bei Ebbe gefunden worden; jetzt blieben nur knapp vier Stunden, bevor dieser Küstenabschnitt wieder überflutet würde. Und trotz des langen Sommerabends war natürlich kurz nach Eintreffen des Teams die Dunkelheit hereingebrochen.
    Doch als Vera beim Leuchtturm hielt, stellte sie fest, dass sie schon so gut wie fertig waren. Die Tote war bereits abtransportiert, das Meer hatte die Senke erreicht und den Tümpel

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