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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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gewähren.
    «Dann studiert ihr also Botanik», fuhr Ashworth fort. «Das hat ein Kumpel von mir vor ein paar Jahren auch studiert. Wie hieß noch gleich dieser Prof, der so berühmt ist? Calvin?»
    «Peter Calvert. Der hält sich immer noch für berühmt, dabei hat er seit Jahren nichts mehr publiziert.»
    «Mögt ihr ihn etwa nicht?»
    «Das ist so ein Schleimer. Ein alter Knacker, der es trotzdem ständig bei einem versucht.»
    «Ja. Dabei weiß doch jeder, dass er verheiratet ist und vier Kinder hat. Ich meine, in so einer Position kann man doch etwas mehr Würde zeigen. Aber das ganze Institut weiß, wie er drauf ist. Und einige gehen sogar auch drauf ein, flirten mit ihm und so, um bessere Noten zu bekommen.»
    «Bleibt’s denn beim Flirten?», fragte Ashworth in leicht belustigtem Ton, als würde er einen Witz machen.
    «Mein Gott, da müsste man ja schon echt verzweifelt sein! Stell dir mal vor, sich von dem anfassen zu lassen! Mein Gott, da wird mir richtig schlecht!»
    «Es gab aber so ein Gerücht», sagte die andere. «Weißt du noch, am Anfang des Semesters? Irgendwer hatte ihn mit einer viel jüngeren Frau in der Stadt gesehen. Danach hieß es immer, er hätte was mit einer Studentin.»
    «Ach?» Ashworth tat, als bekunde er nur aus Höflichkeit Interesse. Und Vera dachte: Du hast viel von mir gelernt.
    «Das war aber bestimmt nur ein Gerücht», fuhr die Studentin fort. «Kein Mensch wusste irgendwelche Details, dabei haben wir alle echt versucht rauszufinden, was da los war. Aber es kann ja sonst wer gewesen sein. Vielleicht sogar seine Tochter. Es war aber ganz sicher niemand von uns. Keine Botanikerin.»
    Dann schwebten die Mädchen wieder davon, während ihre Armreife leise an ihren nackten, sonnengebräunten Armen klirrten.

KAPITEL EINUNDZWANZIG 
    Joe schien kein Problem damit zu haben, hier mit seinem schicken Kaffee in der Sonne zu sitzen, bis es Zeit für das Treffen mit Clive Stringer war, doch Vera war rastlos und ungeduldig. «Ich werde sehen, ob ich diese Annie Slater auftreiben kann, bei der Lilys Mitbewohnerinnen in der Nacht nach dem Mord untergekommen sind. Immerhin war sie Lilys Dozentin. Und sie haben in derselben Straße gewohnt. Wir treffen uns dann später am Museum.»
    Damit war sie weg, bevor er noch protestieren oder anbieten konnte, sie zu begleiten. Fürs Erste hatte sie genug davon, sich von Joe Ashworth betreuen zu lassen. Sie kam sich vor wie ein unartiges Kind, das die Schule schwänzte, und fragte sich, ob ihre männlichen Kollegen auch manchmal so reagierten. Annie Slater traf sie im Dozentenzimmer an, wo sie vor den Postfächern stand und eine Mitteilung las. Lilys Mitbewohnerinnen hatten etwas von einer Tochter gesagt, und Vera dachte sich, dass dieseFrau das Kinderkriegen wohl bis zur letzten Sekunde aufgeschoben haben musste. Sie war Mitte vierzig und hatte sich gut gehalten. Sehr schwarzes Haar, das sie in einem strengen Bob trug, sehr roter Lippenstift. Sie führte Vera in ihr kleines Büro und musterte sie mit gerunzelter Stirn. «Ich habe nicht viel Zeit. In zehn Minuten muss ich zu einer Besprechung.»
    «Es dauert auch gar nicht lange. Ich habe nur ein paar Fragen zu Lily Marsh.»
    «Ach ja», sagte Annie. «Die arme Lily. Das war ein echter Schock. Man hört ja häufig von solchen Dingen, aber es kommt doch fast nie vor, dass es jemanden trifft, den man kennt.» Vera dachte, dass sie ihre Bestürzung ganz gut verbarg. Sie schien sich jedenfalls immer noch vor allem für die Mitteilung zu interessieren, die sie in der Hand hielt.
    «Wäre Lily denn eine gute Lehrerin geworden?»
    Annie zögerte einen Moment und wirkte zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs etwas konzentrierter. «Ich würde sagen, sie war fähig, aber uninspiriert. Was übrigens schon deutlich mehr ist, als man von den anderen Studenten ihres Jahrgangs behaupten kann. Sie war ausgesprochen fleißig, hat sich immer sorgfältig auf ihre Stunden vorbereitet und ging auch ganz gut auf die Kinder ein, aber ich habe trotzdem gemerkt, dass sie nicht mit dem Herzen dabei ist. Ich konnte mir nie vorstellen, dass sie in zwanzig Jahren immer noch Lehrerin sein würde.»
    «Hatten Sie den Eindruck, dass sie depressiv war oder Sorgen hatte?»
    «Da ist mir nichts aufgefallen, aber ich glaube auch nicht, dass mir das aufgefallen wäre. Unser Aufbaustudium ist recht kurz, man hat nicht viel persönlichen Kontakt zu den Studenten. Da sollten Sie vielleicht besser ihre Freunde fragen.»
    Nichts lieber als

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