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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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weitersprach. «Und?», fragte sie. «Sonst noch etwas?»
    Joe beugte sich über den Tisch zu ihr hin. «Ich habe Ben Craven ausfindig gemacht.»
    Vera wusste, dass der Name ihr eigentlich etwas sagen sollte, kam aber nicht darauf. Joe beobachtete sie. Sie sah ihm an, wie zufrieden er mit sich war.
Langsam wirst du ein bisschen arrogant für meinen Geschmack.
    «Der Junge, in den Lily sich in der Schule so wahnsinnig verliebt hat. Der, von dem sie so besessen war, dass sie ihren Abschluss in den Sand gesetzt hat.»
    «Natürlich», sagte Vera, als hätte sie die ganze Zeit gewusst, von wem die Rede war. Was ihr allerdings keiner abnahm. «Was treibt er denn jetzt?»
    «Er hat auswärts studiert, in Liverpool. Sozialarbeit. Letzten Sommer ist er wieder in den Nordosten zurückgekehrt. Und dreimal dürft ihr raten, wo er jetzt arbeitet.» Er schaute in die Runde und genoss den Moment, ehe er seine eigene Frage beantwortete. «Er ist psychiatrischer Sozialarbeiter im St.   George’s. Dem Krankenhaus, wo Luke Armstrong in Behandlung war.»
    «Hat er mit Luke gearbeitet?» Vera war nicht in Stimmung für Spielchen.
    «Keine Ahnung. Ich habe noch nicht mit ihm geredet.»
    «Dann warten Sie auch noch damit. Ich will erst mit Juliedarüber sprechen. Wir wollen ihm ja nicht gleich Angst einjagen.»
    Warum hatte Joe ihr das nicht gleich erzählt? Vera hätte gern eine Erklärung von ihm verlangt. Aber das war jetzt nicht der richtige Moment. Nicht vor den anderen. Er wird wirklich selbstgefällig, dachte sie. Und großspurig. Offenbar glaubt er, er kann alles mit mir machen.
    Joe spürte anscheinend, dass sie verärgert war, und setzte dazu an, sich zu rechtfertigen. «Ich habe eben erst mit seiner Mutter telefoniert. Kurz vor der Besprechung.»
    Und ich glaube wohl auch, ich kann alles mit ihm machen, dachte Vera. Ich betrachte ihn als Familienmitglied und erwarte mehr von ihm, als ich sollte.
    «Samuel Parrs Frau hat Selbstmord begangen», sagte sie. «Ich will wissen, wie das war, wie sie gestorben ist. Können Sie sich darum kümmern, Charlie?»
    Er nickte und machte sich eine Notiz.
    «Irgendetwas Neues vom Leuchtturm? Hat vielleicht jemand einen Mörder beobachtet, der mit der Leiche einer jungen Frau unterm Arm vorbeispaziert ist?» Sie wusste selbst, dass das nicht komisch war, aber langsam ging ihr der Fall an die Substanz. Die Dreistigkeit dieses Mörders. Diese Anmaßung.
    «Bisher nichts, was uns weiterbrächte. Jemand hat erzählt, dass das Wasserwerk dort irgendwelche Arbeiten ausgeführt hat, etwa eine Stunde lang. Ich muss noch überprüfen, ob die Techniker vielleicht etwas mitbekommen haben.»
    «Schön», sagte Vera betont munter. «Dann haben wir ja alle eine Menge zu tun   …»
    Charlie räusperte sich wieder. Der Schleimpfropfen schien ihm dauerhaft in der Kehle zu sitzen. «Da wäre noch etwas. Wahrscheinlich ist es aber nichts.»
    «Spucken Sie’s aus, Charlie!» Sie hatte es kaum gesagt, da dachte sie schon:
Aber bitte nicht wörtlich nehmen, Herzchen. Bloß nicht wörtlich nehmen.
    «Das habe ich zwischen den Papieren gefunden, die das Durchsuchungsteam sichergestellt hat», sagte er. «Ich dachte, es könnte vielleicht wichtig sein, von wegen Blumen.»
    Er hielt einen durchsichtigen Plastikbeutel hoch. Darin steckte eine cremefarbene Briefkarte im Format DIN A6, auf der eine getrocknete, gepresste Blume klebte. Eine zarte gelbe Blüte. Irgendeine Wickenart vielleicht? Als Vera noch zur Schule ging, waren sie eine Zeit lang alle ganz verrückt nach Blumenpressen gewesen. Eine Lehrerin hatte sie darauf gebracht. Man legte die Blume zwischen zwei Blätter Löschpapier und schob sie dann in ein dickes Buch. Bücher hatte es bei Vera zu Hause zwar mehr als genug gegeben, trotzdem hatte sie bald keinen rechten Sinn mehr darin gesehen. Als sie nach Hectors Tod seine Sachen sortierte, war sie in einem seiner Bestimmungsbücher auf eine solche getrocknete Blume gestoßen, die sie dort als Schülerin hineingelegt hatte. Eine Schlüsselblume, die sie gepflückt, gepresst und dann für die folgenden dreißig Jahre vergessen hatte. Sie war mitsamt dem übrigen Plunder ins Feuer gewandert.
    «Steht irgendwas hintendrauf?»
    Charlie drehte den Plastikbeutel um. In schwarzer Tinte stand dort: XXX. Das Zeichen für tausend Küsse. Es hätte gut auch eine Karte sein können, die ein Kind für seine Mutter gebastelt hatte. Doch das hier, dachte Vera, war etwas anderes. Eine Liebesbotschaft?
    «War ein Umschlag

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