Totenbraut (German Edition)
und schwankte.
„Ich sage dir lieber nicht, wofür ich dich halte“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Mit einer wütenden Geste, aus der ich seine ganze Verzweiflung herauslesen konnte, zog er eine der goldenen Kappen vom Kreuz und warf sie verächtlich beiseite. Mit einem Klingen fiel sie mir vor die Füße und blieb auf dem Fels liegen. Sie war voller Blut. Šime hat ihn getroffen! , schoss es mir durch den Kopf.
Matej drehte das Kreuz um. Steine fielen auf seine Hand.
Rotes Glas – nur dass es viel mehr funkelte als Glas.
Das Türkengold. Oder vielmehr: der Schatz.
Blütenblätter, gebogen und fein, geschliffen aus Rubinen.
Das Licht der Abendsonne ließ sie glitzern. Ich erkannte die winzigen Fassungen aus Gold und konnte erahnen, wie das Geschenk ausgesehen haben mochte, wenn es zusammengesteckt war: der kostbarste aller Tulipane, aus Juwelen gemacht, mit goldenem Stiel.
Ein Ring lag ebenfalls auf Matejs Hand, auch mit Tulipanblättern bestückt, nur waren sie viel kleiner.
„Das bekommst du, wenn du sie gehen lässt“, sagte Matej heiser. Yasar starrte die Juwelen an, dann richtete er das Gewehr auf mich und streckte die andere Hand aus.
„Nicht, Matej!“, schrie ich, als er die Finger um die Kostbarkeiten schloss und seine Faust über Yasars Hand hielt. Doch bevor er den Schatz losließ, warf er mir einen schnellen Blick zu. Lauf !
In diesem Moment geschahen unendlich viele Dinge: das Aufblitzen von Rubinen, Matej, der diesen winzigen Augenblick ausnützt, in dem Yasar die Steine ansieht. Blitzschnell holt er mit dem Kreuz aus und versetzt dem Pferd des Rächers einen Hieb.
Wirbelnde Hufe, Quieken und das Gewehr, das hochschnellt.
Ein Schuss verhallt im Himmel, der Wolf zuckt zusammen und flieht.
„Renn!“, schreit Matej, als er sich auf Yasar stürzt.
Doch lange, bevor ich sehe, wie Yasar ihn mit dem Gewehrkolben niederschlägt und Matej zusammenbricht, habe ich beschlossen, dass ich nie wieder davonlaufen werde!
Als das Pferd auf mich zuprescht, um mich in den Fluss zu stoßen, sehe ich mich sterben. Aber es ist mir gleichgültig, solange ich Yasar zu fassen bekomme.
Ein Vorderhuf wirbelt auf mich zu. Zwei Arme kommen aus dem Nichts, umklammern meine Brust und reißen mich zurück. Um Haaresbreite nur entgehe ich dem Huf und spüre nur noch den Luftzug an meiner Stirn.
„Spring!“, zischt Bela mir ins Ohr.
„Nein!“, keuche ich.
Ich springe vor, reiße an dem Priestergewand, verkralle mich darin und lasse mich erst dann mit meinem ganzen Gewicht nach hinten fallen.
Ich höre Yasars empörten Schrei, als er das Gleichgewicht verliert.
Dann stürzen wir beide.
Im Fallen sehe ich die Juwelenblätter der Tulipane. Sie drehen sich in der Luft, blitzen auf und funkeln. Obwohl ich weiß, dass ich dem Ende entgegenrase, gibt es einen Teil in mir, der von der Schönheit wie geblendet ist. Belas Haar flattert über meine Wange. Aber nein, es ist die Priesterrobe. Plötzlich weiß ich, wonach Yasars Haut riecht: feuchte Erde und Süßholz.
Und dann kommt das Wasser.
Eis.
Tausend Messerspitzen Kälte.
Luftblasen wie lebendige Kaulquappen an meiner Haut.
Dumpfe Laute wie das Gebrüll von Tieren. Doch ich bin es nicht, die schreit. Ich kann nicht. Meine Zunge drängt gegen meine Zähne, als hätte sie nicht genug Raum im Mund, denn Yasars Hand umklammert meine Kehle und drückt mit aller Kraft zu. Fingernägel, die sich in meine Haut bohren. Und ich kämpfe, um ihn unter Wasser zu halten! Kälte beißt in meine Augen, als ich sie aufreiße. Ein Rubinfunkeln – der letzte Gruß des goldenen Rings, der dem Grund entgegensinkt. Und das Weiße? Ist das Belas Gesicht?
Das Dunkle und das Helle. Sie wirbeln. Oder bin ich es, die sich strampelnd so schnell im Kreis dreht und windet?
Mit jedem Tritt sinke ich tiefer und ziehe Yasar mit aller Gewalt mit. Er versucht meine Finger von seinem Gewand zu reißen, doch ich kralle mich an ihn wie eine Katze. Sein Widerstand wird schwächer, der Griff um meine Kehle lockert sich und wird schlaff. Ich ringe nach Luft. Wasser schneidet in meine Lunge und ich begreife, dass ich ebenfalls ertrinke. Das Rauschen und Strömen der Morava wird zum Pochen meines Herzens: verzweifelt und verlöschend. Kurz bevor mein Bewusstsein mir entgleitet, spüre ich Wasserpflanzen, die über meine Haut streifen. Es ist wie in meinen Träumen von Bela und mir, nur viel, viel kälter.
Das Ende hatte etwas Erstaunliches. Es hatte mit
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