Totenbraut (German Edition)
Noch nie war ich so erleichtert gewesen, ihn zu sehen – und gleichzeitig so wütend. Sein nasses Haar klebte ihm an der Stirn, auch er war ganz außer Atem. Ich wollte etwas erwidern, doch er legte warnend den Zeigefinger über die Lippen und lauschte angespannt. Nun hörte ich es auch: Männerstimmen in der Nähe. Es waren Pandur und Manko, die sich neben dem Turm unterhielten. Durch das Loch wehten einige verirrte Schneeflocken zu uns herunter. Der Geruch von Rauch lag in der Luft.
„Wir müssen warten, bis sie weg sind“, wisperte Dušan mir zu und kauerte sich neben mich. „Unten am Weg verbrennen sie einen Sarg. Und der Priester ist gerade in deinen Turm gegangen.“
„Er ist kein Priester, er sucht den Türkenschatz“, flüsterte ich. „Wie hast du mich gefunden? Hat dir Lazar Kosac beigebracht, wie du dein Handelsgut aufspürst?“
„Das und mehr“, murmelte er. „Ich habe viel gelernt bei der Bande. Zu viel.“ Im Halbdunkel warf er mir einen gehetzten Blick zu. „Lazar Kosac war Mirkos Vater. Und er hieß nicht Lazar. Das ist ein Räubername – wer Furcht und Schrecken verbreiten will, nimmt ihn an. Der Lazar Kosac, an dessen Stelle Mirkos Vater trat, starb vor einem Jahr. Und es wird wieder einen geben, und die Leute werden glauben, dass der Räuber mit dem Teufel um sein Leben gewettet hat, und ihn fürchten.“
„Dann war alles gelogen, was du mir erzählt hast!“
„Nicht alles“, raunte er. „Es war nur nicht die ganze Wahrheit. Alles, was ich dir erzählt habe, stimmt. Ich war Teil einer Bande. Ich habe es dir ja schon gesagt: Auch mit Räubern lässt sich handeln. Jovan wusste das.“
Weil er selbst ein Räuber war , dachte ich bitter.
„Als er von Ungarn nach Novi Sad kam, erkannte er schnell, dass ich der Späher war. Er bot Lazar Geld, wenn er eine Braut für seinen Sohn fand. Eine von sieben Töchtern musste sie sein und durfte keinen Bruder haben. Nun, wir brauchten nicht lange zu suchen, im Taldorf zerriss man sich das Maul über euch.“
„Du kanntest mich! Du wusstest von Anfang an, was ihr mir antun würdet!“
„Nein, Jasna! Nein. Wir hatten deine Schwester im Taldorf gesehen. Ich schwöre, ich kannte dich nicht. Ich sah dich zum ersten Mal, als du mit Jovan fortgeritten bist. Er hatte uns gutes Geld für die Braut versprochen – und dafür, dass wir ihn unbehelligt ziehen ließen. Doch als Mirko das Geld haben wollte, da ritt er uns einfach davon.“
Die halsbrecherische Jagd in der Fruška Gora! Wie gut erinnerte ich mich daran.
„Kurz darauf wurde die Bande entdeckt, Mirkos Vater gefangen genommen und gehängt. Fünf von uns entkamen. Ich hatte noch am meisten Glück, denn niemand kannte mich als Räuber, ich trat auch im Taldorf als Holzfäller auf. Nun, wir mussten ohnehin fliehen – also ritten wir Jovan hinterher, um unseren Teil zu holen.“
„Dann war ich also vier gestohlene Pferde wert“, zischte ich. „Ein guter Preis für eine ahnungslose Braut, die sich zu Tode fürchtet!“
„Jasna“, sagte er sanft. Er wollte mir eine Locke aus der Stirn streichen, aber ich schlug seine Hand weg.
„Fass mich nie wieder an!“, fauchte ich. „War das alles, was du hier wolltest? Die Pferde? Oder bist du hier herumgeschlichen, weil du noch etwas anderes finden wolltest? Du warst doch im Haus – sogar in meinem Turm, und als ich früher zurückkam, musstest du so schnell fliehen, dass du den Wein umgeworfen hast.“
Es kostete ihn viel, mir eine Antwort zu geben. „Ja“, gab er schließlich zu. „Ich hatte so einige Geschichten vom Türkengold gehört.“
Ich schnaubte. „Und wozu hast du den Spiegel aufs Fensterbrett gelegt?“
„Im ... Spiegel konnte ich sehen, ob jemand auf das Haus zugeht.“
„Verdammter Dieb!“
„Es ist vorbei. Ich habe es dir versprochen.“
„Was sind deine Versprechen schon wert? Was ist überhaupt ein Wort aus deinem Mund wert? Ich kenne ja nicht einmal deinen richtigen Namen!“
Er schluckte und sah zur Tür. „Matej“, sagte er leise. „Ich heiße Matej Veletok.“
Ich starrte auf die Taubenfedern am Boden, auf Flaum und eine Rabenfeder. Ich versuchte mich an all das Gute zu erinnern, an die Flößerhütte, doch diesmal war es mir unmöglich, ihm zu verzeihen.
„Es tut mir leid, dass ich dich hier allein gelassen habe“, sagte er nach einer Weile. „Als der Schuss fiel, habe ich den armen Kerl beim Bach ins Gras gelegt und wollte zurückkehren, aber da sah ich dich an der Seite des Priesters über
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