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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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höher und machte mich bereit.
    „Was für einer bist du, hä?“, wollte mein Vater wissen. „Hast du auch einen Namen?“
    „Jovan Vuković, so heiße ich“, erwiderte der Fremde. „Der Handel hat mich von der Heimat weggeführt. Ich habe Wiener Geld, ich bezahle für die Unterkunft.“
    „Zum Fenster!“, zischte mein Vater und nickte uns zu. Meine Schwester eilte zum Tisch und stellte die Kienspäne weg, damit der Fremde vor der Tür unsere Stube nicht sehen würde. Ich spürte einen Luftzug, als mein Vater an mir vorüberging, roch die vertraute Mischung aus Branntwein und Kautabak. Gleich darauf hörte ich das Schaben des Fensterriegels. Die Öffnung war nur zwei Handbreit groß und ich fragte mich, wie Vater das Gesicht des Reisenden in der Dunkelheit erkennen wollte, aber in diesem Augenblick erhellte ein Blitz den Himmel und sandte einen gleißenden Schein durch die Luke. Ich starrte auf das angespannte Gesicht meines Vaters, seltsam schwebend mitten im Raum. Meine Arme begannen unter dem Gewicht des Eichenknüppels zu zittern, aber ich biss die Zähne zusammen. Ein helles Klimpern drang an mein Ohr.
    „Taler!“, sagte der Fremde. „Für ein Bett.“
    „Es ist tatsächlich nur ein Reisender“, hörte ich Vater murmeln. „Er ist allein und unbewaffnet.“
    Jelka senkte die Axt und stellte sie neben sich auf dem Boden ab. Dann rief sie nach Mirjeta, die sogleich herbeigesprungen kam und das Licht wieder hervorholte. Vater legte den Säbel nicht ab, während er die Tür entriegelte. Er ächzte, als er den schweren Querbalken anhob.
    Jovan Vuković trat in unser Haus, als hätte die Donau ihn hineingetragen, Bäche von Wasser strömten aus seinem langen Mantel. Er trug glänzende Stiefel wie ein Soldat des Kaisers. Er ging sehr dicht an mir vorbei, und einen Herzschlag lang sahen wir uns an, während ein weiterer Blitz die Kammer erleuchtete. Ich blickte in umschattete Augen unter dunklen Brauen, sah ein scharf geschnittenes Gesicht, das trotz der tiefen Falten um den Mund ebenmäßig wirkte. Alle älteren Männer, die ich kannte, trugen zumindest Schnurrbärte, Jovan dagegen war glatt rasiert. Am meisten verblüffte mich jedoch das zweierlei Haar: Eine helle Strähne zog sich durch sein dichtes, schwarzes Stirnhaar.
    „Du wirst doch einen harmlosen Reisenden nicht erschlagen, Mädchen?“, sagte er freundlich. Erst da wurde mir bewusst, dass ich immer noch den Knüppel in der Luft hielt. Verlegen trat ich einen Schritt zurück und senkte die Waffe.
    „Nein, Herr“, murmelte ich. „Verzeiht.“
    „Willkommen im Haus von Hristivoje Alazović!“, sagte Vater. „Ihr habt Eure Leute verloren?“ Wie immer lehrte der Anblick von Geld ihn sehr schnell Höflichkeit.
    Unser Gast nickte. „Kurz hinter dem Lindenwald. Wir hatten gehofft, noch heute zu einem Kloster zu kommen, das – so hatten wir gehört – hier ganz in der Nähe sei. Aber dann überraschte uns die Nacht und wir kamen vom richtigen Weg ab. Wölfe haben die Pferde scheu gemacht. Ich habe meine Männer gesucht und nach ihnen gerufen, und ich glaube, dass sie schon vorausgeritten sind.“
    „Ihr ruft in dieser Gegend lauthals nach Euren Männern?“, fragte Vater und zeigte die mürrische Grimasse, die niemand für ein Lächeln hielt. „Seid froh, dass Ihr noch lebt!“
    Der Fremde lachte. Es war ein dunkles, angenehmes Lachen, ich erinnere mich heute daran, dass ich es auf Anhieb mochte.
    „Wegen dieses Räubers? Ich habe die Schauergeschichten gehört.“
    „Es sind keine Geschichten“, entgegnete Vater. „Kosac wird von Soldaten gesucht.“
    „So?“, erwiderte der Mann. „Nun, bei einem solchen Wetter verkriechen sich sogar die Räuber in ihre Schlupfwinkel, würde ich meinen.“
    Jelka hatte inzwischen die Lampe entzündet, und ich stellte fest, dass Jovan Vuković sicher nicht älter als vierzig Jahre war. Seine Augen waren grün und schienen zu glühen und für einen Augenblick wusste ich nicht, ob ich ihn fürchten oder willkommen heißen sollte.
    „Was für ein Landsmann seid Ihr?“, wollte Vater nun wissen. „Wo kommt Ihr her? Reitet Ihr heim?“
    Herr Jovan nickte. „Mein Hof beim Dorf Medveđa liegt nur ein paar Tagesreisen von Belgrad entfernt. In der Nähe der Morava und nicht weit von Paraćin und Jagodina. Da komme ich her und da reite ich nun wieder hin.“
    Vater spuckte mitten in der Kammer aus. „Also direkt bei den Türken.“ Seine Miene verdüsterte sich schlagartig und auch mir lief ein Schauer über

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