Totenbraut (German Edition)
Sonnenlicht ausgesetzt war. Ich liebte Schwarz, obwohl er auf dem Feld kaum mehr zu gebrauchen war. Doch sobald ich die Geduld mit ihm verlieren wollte, erinnerte ich mich an den jüngeren Schwarz. Ich hatte auf seinem Rücken gesessen, kaum, dass ich auf eine Leiter steigen konnte. An seinen Beinen hatte ich mein eigenes Wachstum gemessen.
Mit der hohlen Hand schützte ich nun die Kerzenflamme und schlich um den Verschlag von Schwarz herum. Dann nahm ich die Hand weg.
Vor mir stand das schönste Pferd, das ich je gesehen hatte!
Ein Rappe, der aus Gewitterwolken gemacht schien. Seine Mähne war noch feucht vom Sturm und seine Augen lebhaft. Neben unserem plumpen Schwarz sah er zerbrechlich und flink aus, ein Pferd der Feen, das auf dem Sturmwind laufen konnte. Ehrfurchtsvoll trat ich näher und bewunderte das schnelle Spiel der Ohren, die Art, wie der Hengst die schmale Nase hob, um mich überheblich von oben herab zu mustern, um dann doch neugierig an meiner Hand zu schnuppern. Ich umschloss seinen warmen Atem, als könnte ich damit ein Stück der Fremde als Geschenk erhalten, und wünschte mir nichts so sehr, als einmal auf dem Rücken eines solchen Tieres über eine gerade Straße dahinzufliegen.
„Jasna!“
Die Kerze fiel zu Boden, zischend verlosch die Flamme auf dem feuchten Boden. Das Pferd trappelte und quiekte und trat gegen die Wand des Verschlags. Ich fuhr herum, eher verärgert als überrascht, dass Jelka mich hier ertappt hatte.
„Was ist denn?“
Ich war darauf gefasst, einen ihrer Wutanfälle zu erleben, doch meine Schwester stand nur mit hängenden Armen in der Tür.
„Er will Bela sehen“, sagte sie leise.
„Herr Jovan?“
Ein schattiges Nicken. „Für seinen Sohn. Er wollte eigentlich mich, aber ich konnte es Vater ausreden, sein Versprechen zu brechen, und auch unser Gast hat schließlich eingewilligt, sich die zweitälteste Schwester anzusehen. Vater hat ihm erzählt, wie schön sie ist, und hat Jovan ihre Stickereien gezeigt.“
Das sah Vater ähnlich! Überall gilt es als Schande für die Familie, wenn die zweite Tochter vor der ältesten verheiratet wird, aber für unseren Vater war es wohl wichtiger, Bela loszuwerden. Schon mehrmals hatte er es versucht. Einmal gab er sie im Dorf einer Witwe, bei der sie sticken sollte, ein anderes Mal brachte er sie zu einem Bauern. Aber Bela lief jedes Mal weg und stand mitten in der Nacht mit aufgelöstem Haar und wunden Füßen wieder vor unserer Tür.
„Hat er ihm auch gesagt, dass sie nichts anderes kann als sticken?“, zischte ich. „Hat er Herrn Jovan gesagt, dass sie ...“
„Nein“, unterbrach mich Jelka barsch. „Aber es wird ihn nicht stören. Sie soll Söhne bekommen, nicht reden.“
„Das lasse ich nicht zu! Gibt es keine Mädchen in Medveđa? Ist sein Sohn so ein Ungeheuer, dass er zu Hause keine Braut findet?“
„Scht! Sei doch leise, du Dummkopf ! Der Herr sagt, er will für seinen Sohn nicht irgendeine aus dem Dorf.“
„Aber warum dann ausgerechnet Bela?“
„Sie ist nach mir nun mal die Nächste in der Reihe. Und längst alt genug, Kinder zu bekommen.“
„Sie ist zart wie eine Zwölfjährige!“
„Na und? Mutter war noch jünger als du, als sie verheiratet wurde. Als sie mich zur Welt brachte, war sie vierzehn, Jasna.“
„Ja, und genau deshalb hat sie unserem Vater das Versprechen abgenommen, keine von uns vor dem sechzehnten Jahr zu verheiraten! Er hat es ihr am Totenbett geschworen.“
Jelka schnaubte. „Bela ist seit zwei Wochen sechzehn.“
Ich hatte den Mund schon aufgemacht, um ihr zu widersprechen, doch nun schloss ich ihn wieder. Jelka hatte Recht. Doch seltsamerweise überraschte es mich. In meiner Wahrnehmung war Bela von jeher jünger als ich. „Wir können es trotzdem nicht zulassen“, flüsterte ich entsetzt.
„Warum nicht?“, sagte Jelka mit ihrer unbarmherzigen, viel zu vernünftigen Stimme. „Sie trifft es nicht schlecht mit dem Sohn eines Gutsherren.“
Ich hätte mir denken können, dass Jelka letztendlich doch zu Vater hielt!
„Unser Vater würde keinen Fuß ins Türkenland setzen, aber seine Tochter schickt er dorthin?“, fauchte ich sie an. „Nun, wenn es dir so erstrebenswert scheint, wieso gehst du dann nicht an ihrer Stelle? Du bist doch schon fast eine alte Jungfer! Und Herr Jovan besitzt sicher mehr, als dein Mile je haben wird.“
Jelka tauchte in die Dunkelheit des Stalls, dann spürte ich plötzlich zwei eisenharte Hände, die meine Handgelenke packten,
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