Totenbraut (German Edition)
zupackt. Sie kümmert sich um das Pferd und das kleine Feld hinter dem Haus. Jelka würde auch aus Steinen und Zweigen die besten Gerichte kochen. Bela ... stickt viel. Und die drei Kleinen, nun, Ihr könnt Euch ja denken, dass sie mehr essen, als sich nützlich zu machen. Ach, was habe ich nach dem Tod meiner Frau nicht alles versucht, um eine neue Mutter für sie zu finden! Aber die Weiber aus dem Dorf sind allesamt feige und faul. Allein beim Namen des Räubers fangen sie an zu heulen – nein, da haben meine Töchter mehr Stolz und mehr Schneid.“
Jovan lehnte sich in seinem Stuhl zurück und streckte die langen Beine näher zum Feuer.
„Es muss schwer für Euch sein, als Witwer zu leben, Hristivoje.“
Jetzt musste ich schlucken. Einer der Reisenden wurde getötet und ausgeraubt, als meine jüngste Schwester gerade geboren worden war. Meine Mutter lag noch mit Fieber im Wochenbett, als die verzweifelten Reisegefährten des ungarischen Kaufmanns an die Tür klopften und von Raub und Mord stammelten. Meine Mutter warf nur einen Blick auf den Fremden, der sich blutend in der hastig aus einem Mantel gefertigten Trage wand. Und ängstlich, wie sie war, erschrak sie so sehr, dass sie bald darauf selbst starb. Ich sehnte mich viele Nächte lang nach ihren sanften Fingern, die meine störrischen Locken ordneten. Manchmal hatte ihre Hand gezittert, während sie mir über das Haar strich, und selbst im Halbdunkel konnte ich die blauen Flecken in ihrem Gesicht sehen. Dann wusste ich, dass Vater wieder getrunken und von ihr einen Sohn verlangt hatte. Aber auch wenn er sie in unserer Gegenwart zurechtwies und schlug, habe ich nie erlebt, dass sie sich mit Worten wehrte oder auch nur die Arme hob, um sich zu schützen.
„Es sind nun mal karge Zeiten“, sagte mein Vater heiser.
„Haben Eure Ältesten denn noch keine Verlobten im Dorf?“, wollte Jovan wissen. „Immerhin habt Ihr ein schönes Stück Land hinter dem Haus, die Bergwiese trägt gute Erde. Vielleicht wäre ein Schwiegersohn sogar bereit, hier bei Euch zu leben. Ich könnte mir vorstellen, dass jeder junge Mann froh wäre, eine Frau wie Jelka zu bekommen – auch wenn sie schon siebzehn ist. Ich jedenfalls wünschte, mein Sohn Danilo würde eine so tüchtige und dazu noch schöne Braut finden.“
Ich hielt die Luft an und ballte die Hände zu Fäusten. Also hatte ich richtig vermutet! Jelka wandte sich brüsk dem Topf am Feuer zu. Ich sah, wie die Linie ihrer Schultern sich verhärtete.
Sag es! , befahl ich meinem Vater in Gedanken und durchbohrte ihn mit meinem Blick, aber er sah mich nicht an.
„Jelka ... habe ich jemandem versprochen“, meinte Vater endlich, aber so zögernd, als bedauerte er diese Tatsache. Er stürzte den restlichen Branntwein in einem Zug hinunter. „Wenn wir auch nicht wissen, wann ihr Bräutigam aus dem Militärdienst zurückkehrt.“
Jelka drehte sich nicht um, nur der Löffel, mit dem sie die dünne Suppe rührte, schlug härter gegen die Topfwand. Ich war mir sicher, dass sie die Blicke der beiden Männer wie heiße Nadeln im Rücken spürte.
Meine Schwester und ich waren wie Feuer und Wasser. Nicht selten stritten wir uns so schlimm, dass sogar die Holzlöffel über den Tisch flogen. Sie nannte mich Dolchzunge und Giftnatter und ich sie hölzerne Jungfrau und Eisenhand. Doch in diesem Augenblick hätte ich sie sogar gegen Kosac persönlich verteidigt.
„Mile kommt bald zurück, Vater“, sagte ich mit fester Stimme. „Das Jahr ist noch längst nicht um. Ihr habt seiner Familie Euer Wort gegeben, dass Jelka bis zum Herbst auf ihn wartet.“
Mein Vater funkelte mich wütend an und sprang auf. Ich hätte seiner Ohrfeige leicht ausweichen können, denn seine Hand war bereits unsicher von der Flasche Branntwein, die er fast alleine getrunken hatte, doch aus irgendeinem Grund dachte ich nicht daran, mich feige in die Ecke zu flüchten. Seine Schwielen kratzten über meine Wange, der Schlag brachte mein Ohr zum Klingen.
„Hältst du jetzt endlich dein freches Maul!“, brüllte er. „Niemand will dein Geschwätz hören! Verschwinde nach oben!“
Jelka fuhr herum und sah Vater so durchdringend an, dass ich bei allen Heiligen geschworen hätte, sie würde nach der Axt greifen. Und ich ertappte mich bei dem Wunsch, dass sie es tun sollte.
Jovan schaute verlegen in seinen Becher und gab vor, die Grobheit meines Vaters nicht zu bemerken.
„Schlimme Zeiten bringen auch in den besten Männern Schlimmes hervor“, sagte
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