Totenbraut (German Edition)
Verliebten“, pflichtete der Arzt ihm bei und nippte an seinem Wein.
Danilo wirkte überrumpelt und ich verfluchte Jovan im Stillen für seine Art, Worte wie Fesseln und Fallen einzusetzen.
„Genug von den Pferden“, sagte Tramner. „Berichte uns lieber etwas über deine Reisen, Jovan! Mein Freund hier weiß noch gar nicht, dass du drei Jahre bei den Osmanen gelebt hast. In Edirne und anderswo. Erzähl doch davon!“
Ich horchte auf. Drei Jahre im Türkenland! Diese Neuigkeit faszinierte und erschreckte mich gleichermaßen. Die Geschichten meines Vaters klangen mir wieder im Ohr, die Bilder von gepfählten Menschen ließen sich nicht leicht vertreiben.
„Edirne ist nicht die einzige Stadt, die man gesehen haben muss“, sagte Jovan. Er lehnte sich zurück und drehte den Becher in seinen Händen, als würde er seine Erinnerungen ordnen. „Die wahre Stadt der Wunder ist Istanbul – das alte Konstantinopel, das schon den Griechen und den Lateinern gehört hat. Ich war dort! Zu der Zeit, als Sultan Ahmet herrschte. Ich erinnere mich noch, als würde ich es heute vor mir sehen. Auf dem europäischen Ufer steht Konstantinopel auf sieben Hügeln. Gärten, Pinien und Zypressenhaine schmiegen sich an die Hänge. Und zwischen den zahlreichen Moscheen steht Ahmets Sommerpalast. Saadabad nennt man ihn, Ort der Glückseligkeit . Teiche und Fontänen gibt es dort und Bäche, die der Sultan anlegen ließ.“
Jovans Stimme war sanft geworden und hatte einen tieferen, volleren Klang bekommen. Und in seiner Miene spiegelte sich der Abglanz all der Wunder, die er mit Worten und Gesten beschrieb.
„Ein junger Kaufmann war ich, als ich diese Pracht sah“, raunte er. „Ein Hitzkopf, den der Reichtum blendete. Unermesslicher Reichtum, Freunde! Und Feste, so sündhaft und prächtig, dass jeder Christ sich bekreuzigte und dennoch die Augen nicht abwenden konnte. Manchmal sah man, wie sich der Hofstaat in den Sommernächten auf dem Wasser vergnügte. In Booten, über die sich silberne Zeltdächer spannten, trieben sie in den Wellen des Bosporus und vor dem Hafen am Goldenen Horn.“
Stumm stand ich neben dem Tisch, den Weinkrug in den Händen, und konnte gar nicht anders, als mich in den Bann der Bilder ziehen zu lassen. Nie hatte mein Vater so von den Türken gesprochen. Und zu den Albträumen von Blut und Qual und verzerrten Mündern gesellte sich nun der Glanz einer Ferne, die mich dazu brachte, mich fortzuträumen. An diesem Abend erlebte ich den Zauber, den Jovan mit Worten wirken konnte. Wäre ich ihm da zum ersten Mal begegnet, hätte sein Glanz mich geblendet und mein Herz gewonnen.
„Es gab Prozessionen auf Pferden, deren Satteldecken vor Edelsteinen funkelten“, fuhr Jovan fort. „Mit goldenen und silbernen Geschirren und Federschmuck auf der Stirn zogen sie vorbei. In solchen Nächten waren die Kuppeln der Moscheen erleuchtet von Feuerwerk, Ringkämpfer zeigten ihre Künste auf den Straßen, die Rufe von Papageien hallten durch die Nacht. Und die Straßen dufteten nach süßem Gebäck, nach Helwa und honiggetränktem Sesam – und dieser Duft vermischte sich mit dem würzigen Rauch langsam brennender Harzfackeln.“
„Hübsche Geschichte“, bemerkte der Magyar mit mildem Spott. „Hört sich nach einem richtigen Märchen an. Es ist wohl wahr, dass die Osmanen einen Sinn für Reichtum haben, aber an ihrem Gold klebt Blut. Sie sind und bleiben Schlächter. Und Sultan Mahmut will keine Ruhe geben, bis er nicht Belgrad und das Gebiet an der Morava zurückerobert hat. Wir werden das zu verhindern wissen. Aber wenn es Mahmut gelänge, würde ich gerne hören, ob ihr noch solche Loblieder auf die türkischen Hunde singen würdet!“
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Nema ruckartig den Kopf hob. Als sie bemerkte, dass ich zu ihr hinübersah, senkte sie den Blick sofort wieder.
„Trotzdem ein unterhaltsames Märchen, das muss ich zugeben“, schloss der Offizier gönnerhaft und streckte die Beine unter dem Tisch lang aus. „Aber sagt mir: Wie kommt ein einfacher Händler wohl in die Nähe von so viel Pracht, hm? Bestimmt habt ihr in Kaschemmen geschlafen und im Opiumrausch von all dem Reichtum geträumt.“
Er lachte und blickte sich Beifall heischend nach dem Arzt um. Ich hätte erwartet, dass Jovan nun zornig und gekränkt reagieren würde, aber er lächelte nur schmal und stand vom Tisch auf. Atemlos verfolgte ich, wie er zur Ikonenecke ging und eine der Blumen aus der Vase nahm, die neben dem Bildnis
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