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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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dass ich alles gehört hatte. „Bring den Wein ins Zimmer und dann geh zu deinem Mann, Jasna“, sagte er heiser und räusperte sich. „Ich will die Neuvermählten nicht davon abhalten, ihren Pflichten zu genügen.“
     

     
    Danilo lehnte an der Mauer neben dem verwitterten Tor und starrte zum nächtlichen Wald hinüber. Im Mondlicht konnte ich seinen Umriss erahnen. Um mich herum kochte die Dunkelheit, als ich den Hof eilig überquerte, und ich glaubte, einen Blick im Nacken zu fühlen. Doch sobald ich mich umdrehte, sah ich nur den Schwarzen Turm, der unheilvoll in den Himmel ragte. Kurz vor dem Tor blieb ich stehen, unschlüssig, ob ich Danilo ansprechen sollte.
    „Was ist?“, fragte er, ohne mich anzusehen. „Was stehst du herum und gaffst mich an? Geh hinein.“
    Noch ein Befehl an diesem Abend. Diesmal würde ich nicht den Kopf senken und gehorchen. Ich krampfte meine Hand um den Schlüsselbund, meine einzige Waffe in einem ungleichen Kampf. „Wovor hat dein Vater Angst?“
    Danilo fuhr zu mir herum, als hätte ich ihn mit einem glühenden Eisen berührt.
    „Du hast gelauscht?“
    „Ich habe nun mal Ohren. Aber selbst wenn ich taub wäre, könnte ich eure Feindschaft kaum übersehen. Hasst du mich nur deshalb? Weil dein Vater mich hergebracht hat?“
    „Was kümmert es dich?“, gab er schroff zurück. „Du hast deinen Gewinn bei der Sache gemacht.“
    „Gewinn?“, fauchte ich. „Glaubst du das wirklich? Ich habe nicht darum gebeten, hierherverschleppt zu werden. Was soll ich hier? Ich musste meine Schwestern zurücklassen, die ich liebe wie niemand anderen! Nie wieder werde ich mein Heim wiedersehen oder das Grab meiner Mutter und meiner Schwester Nevena ...“ Die Worte versiegten mir und ich musste schlucken. „Du kannst wenigstens zu Marjas Grab gehen“, brachte ich mühsam heraus. „Ich habe ... niemanden.“
    Danilo zog scharf die Luft ein und ich wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Es war, als verlöre mein Mann in der Dunkelheit seine menschliche Gestalt und würde zu dem Tierbräutigam aus den Märchen – fremd und dunkel, ein Schatten nur, der jederzeit nach mir greifen konnte. Ich musste allen Mut und alle Beherrschung zusammennehmen, um weiterzusprechen.
    „Erinnerst du dich noch an deine Mutter?“
    Danilo zögerte lange mit seiner Antwort. Aber zu meiner Überraschung gab er mir eine.
    „Manchmal. Ich weiß noch, dass sie mir vorgesungen hat. Aber es ... ist schon sehr lange her.“
    „Meine Mutter starb vor drei Jahren“, sagte ich. „Sie hat meinem Vater sieben Töchter geboren.“
    Ich weiß nicht, warum ich ausgerechnet Danilo diese Dinge erzählte. Vielleicht, weil die Dunkelheit zwischen uns stand, vielleicht, weil die Schlüssel auch ein Schloss in meiner Brust geöffnet hatten – zu einer Kammer voller Sehnsucht und Traurigkeit. Ich erzählte von Schwarz und von den Lindenwäldern, vom Taldorf und von den Ziegen, die Lazar uns gestohlen hatte. Ich beschrieb ihm Bela – meine Bela! – und für einige Augenblicke war es so, als könnte ich tatsächlich ihre Arme um mich spüren und ihre Hand an meiner Wange. Erst nach einer Weile verstummte ich verlegen und auch Danilo sagte nichts.
    Nebel hatte sich auf der Weide erhoben und schwebte in schlierigen Schleiern vor dem Wald. Ich glaubte, Gesichter darin wahrzunehmen, Münder, die sich öffneten und zu blassem Dunst zerflossen. Ein stummer Gesang von unzähligen Waldgeistern.
    „Ich habe mich auch gefragt, warum dein Vater nicht mehr geheiratet hat“, flüsterte ich. „Trauert er wirklich so sehr, dass Marjas Name nicht einmal genannt werden darf ?“
    Danilo lachte wieder das freudlose Lachen, das mir inzwischen vertraut war.
    „Verwechsle Trauer nicht mit Schuld“, sagte er trocken.
    „Schuld? Sie starb doch an einer Krankheit? Das hat mir Simeon gesagt.“
    „Oh ja“, erwiderte Danilo. „Simeon hat ganz Recht damit. An der Krankheit – oder an der Liebe, wer weiß das schon so genau. Wir Vuković-Männer bringen den Frauen kein Glück, Jasna.“
    Es war das zweite Mal, dass er meinen Namen aussprach, und ich wünschte, er hätte es nicht getan. Die Furcht kehrte zurück und mit ihr die Erinnerung an die Albträume und die Erscheinung am Fenster.
    „Danilo? Es spukt hier auf dem Gut, nicht wahr?“
    Danilo schnaubte. „Wie kommst du auf solche närrischen Gedanken?“
    „Ich ... habe etwas gesehen. Etwas Unheimliches.“ „Was?“
    „Ich weiß es nicht. Ich ... träume davon. Von einem

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