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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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schimmerten ihre Augäpfel bläulich, ihr aufgerissener Mund war ein schwarzer Fleck. Etwas Schweres fiel und streifte mein Knie, dann gab es ein Geräusch, als würde Ton zerbrechen. Warme, klebrige Flüssigkeit tränkte meine Opanken und ein metallischer Geruch hüllte mich ein. Pferdeblut! Flink wie eine Schlange fuhr die Alte herum. Ich war viel zu überrascht, um ihr auszuweichen, ihre knochige Faust traf meine Schläfe mit voller Wucht. Schmerzfunken erblühten hinter meinen Lidern. Ich taumelte, trat in eine Scherbe des zerbrochenen Kruges und verlor das Gleichgewicht. Nema nutzte den Moment, wand sich aus meinem Griff und floh.
    Ehe ich michs versah, war sie schon halb über den Hof gerannt. Ich stürzte ihr hinterher, doch sie entglitt mir und schlüpfte ins Haus. Diesmal hatte sie allerdings nicht genug Zeit, mich auszusperren. Meine Fersen hämmerten auf den Dielen, als ich die Alte zu ihrer Kammer verfolgte. Ich erwischte einen Zipfel ihres Rocks und brachte sie an der Schwelle zu Fall. Mit einem schmerzerfüllten Ächzen landete sie unsanft auf dem Boden und schlitterte gegen die Wand. Die Flamme einer Kerze, die auf einer Truhe stand, flackerte.
    „Du kannst es einfach haben oder schwer“, keuchte ich. „Ich will mich nicht mit dir prügeln, aber ich schwöre dir, ich tue es, wenn du mir nicht antwortest, verstanden?“
    Nema kniff die Lippen zusammen und sah mich an, als sei ich ein tollwütiger Hund, den man besser nicht reizt. Ihre vernarbten Hände waren zu Fäusten geballt, aber sie machte keine Anstalten aufzustehen.
    „Bist du ... bist du der Vampir, Nema? Bringst du das Unglück über das Dorf?“
    Die Alte zischte. Ihr Mund verzog sich, ihre Augen verfluchten mich. Im selben Moment wurde mir klar, dass etwas nicht stimmte: Nema war trotz des Knoblauchs und der Mohnsamen mühelos ins Haus gelangt.
    Blitzschnell packte sie einen Eimer, der neben der Tür stand, und schleuderte ihn auf mich. Ich riss den Arm hoch und krümmte mich sogleich vor Schmerz, weil das Holz meinen Ellenbogen getroffen hatte. Dann fiel schon die Tür vor meiner Nase zu und der Riegel schnappte ein. Dielen knarrten, Fensterläden klappten. Ich rappelte mich auf und fegte über den Flur zurück und auf den Hof. An der Mauer griff ich mir die Lampe und lief, so schnell ich konnte, um das Haus herum. Die Fensterläden standen offen, auch hier hatte der Bann seinen Dienst versagt, was zeigte, dass Nema wirklich kein Vampir sein konnte. Als ich mich umblickte, erahnte ich einen fliehenden Schatten, der in Richtung Hang rannte. Ich verlor sie aus den Augen, aber ich konnte mir schon denken, wohin sie wollte. Nun, diesen Plan würde ich vereiteln!
    Disteln blieben an meinem Rock hängen und mein Atem brannte mir in der Lunge. Erst als die Wacholderbüsche im Mondlicht auftauchten, wurde ich langsamer und blieb schwer atmend stehen. Das Licht der Lampe schwankte und kam dann zur Ruhe. Es bestand keine Gefahr. Die hellen Steine auf Jovans Grab leuchteten im Mondlicht. Sie lagen nicht zerstreut und das Grabkreuz stand gerade – so wie wir es heute zurückgelassen hatten. In der Dunkelheit sah ich nur Nemas Schattenriss am Grab. Entweder sie hörte mich nicht oder sie hatte aufgegeben, jedenfalls drehte sie sich nicht zu mir um. Halb abgewandt kniete sie in sich zusammengesunken am Grab. Ihr Oberkörper wippte vor und zurück, vor und zurück, als sei sie verrückt geworden. Es machte mir Angst, sie so zu sehen.
    Leise stellte ich die Lampe neben einem Strauch ab. Ich trat näher heran und holte schon Luft, um Nema anzusprechen, als ich etwas hörte, was mein Herz in einen Eisklumpen verwandelte: ein mottendünnes, hohes Wimmern. Ein schrecklicher Laut, wie von einem Tier, das litt, ohne seinen Schmerz zu begreifen. Nema ist also gar nicht stumm!, dachte ich, während ich wie im Traum weiterging. Ich beugte mich vor, um besser zu sehen. Die Wolkendecke brach auf und ein Mondstrahl fiel auf lange Gliedmaßen. Das war nicht Nema! Entsetzen umspülte mich wie eine kalte Woge, als ich Jovans dunkles Haar erkannte und den Schimmer seiner weißen Strähne. Lauf!, schrie eine Stimme in meinem Kopf, doch meine Beine gehorchten mir nicht. Meine Welt schien zu schwanken und mich nicht länger tragen zu wollen. Ich sank auf die Knie und krallte meine Hand in den Boden.
    Die Tage im Grab hatten Jovan Kraft gekostet. Er wirkte eingefallen und dünn. Immer noch hielt er sich selbst umschlungen und wiegte sich, als würde er seinen eigenen Tod

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