Totenbraut (German Edition)
Auch Jovan hätte niemals zugelassen, dass sein Sohn und ich heiraten. Ich weiß nicht warum, aber er ertrug nicht einmal meinen Anblick. Vielleicht, weil ich die Tochter einer bettelarmen Ledigen war und im Dorf noch nie viel galt.“
Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass du mit deinem schwarzen Haar Marja ähnlich siehst , dachte ich unwillkürlich.
„Er versprach meiner Mutter Geld, wenn sie mich dazu bringen würde, Luka zu heiraten“, fuhr Anica fort. „Viel Geld, auf das sie hoffte, bis sie starb. Und bei Gott, sie hat alles dafür getan, dass ich mich ihrem Willen und dem Willen des Dorfes beugte. Ich habe nachgegeben, weil ich wusste, Danilo würde sich niemals gegen Jovan auflehnen.“
„Dann musst du ja froh sein, dass er nun tot ist.“
Sie lächelte ohne Freundlichkeit und schüttelte den Kopf. „Wenn es nur so einfach wäre. Im Grunde ändert es nicht viel. Danilo hängt so sehr an diesen Türmen, dass er sie nie verlassen wird. Nicht einmal für mich. Ich habe ihn dafür gehasst, dass er nicht um mich gekämpft hat. Aber als ich ihn nach dem Ivanje -Fest wiedersah ...“
Plötzlich verstummte sie, als hätte sie bereits zu viel von sich preisgegeben. Das Bild ihres Tanzes schwebte in der Kammer – und noch eine andere Erinnerung: Bela in ihrem weißen Kleid. Das Dunkle und das Helle wirbelten durch den Raum, umkreisten einander, überlagerten sich und trennten sich wieder.
„Hör sich das einer an!“, sagte Anica verärgert. „Jetzt bin ich doch dabei, mich bei dir zu entschuldigen!“
Darauf fiel mir keine Antwort ein. Wieder entstand eine angespannte Pause, die nur von Sivac’ flehendem Winseln vor der Tür ausgefüllt wurde.
„Danke für die Milch und die Pita “, sagte ich schließlich. „Es ist ... großzügig, sie einem Mann zu schenken, der dich so schlecht behandelt hat.“
Anica lachte überrascht auf. „Die Totenspeisen sind doch nicht von mir!“, rief sie. „Glaubst du, ich habe Milch zu verschenken? Nein, die Sachen hier schickt dir Branka.“
Jetzt war es an mir, verblüfft zu sein. „Du kommst aus dem Dorf? Und die Frauen dort reden plötzlich mit dir?“
Anica zuckte mit den Schultern. „Wenn es darum geht, dass kein anderer sich zu den Türmen wagt, ist die Witwe plötzlich wieder gut genug. Sie ist ohnehin verdammt. Wenn sie vom Teufel geholt wird, ist es nicht schade um sie.“
Von einem Augenblick zum nächsten war mir unbehaglich zumute. „Branka hat Angst, selbst herzukommen? Wegen ... des Hagels?“
„Es ist nicht nur der Hagel“, sagte Anica mit einem Unterton, der mich verunsicherte. „Das ist der eigentliche Grund, warum ich hier bin, Jasna, um euch zu warnen. Die Leute im Dorf haben Angst. Und wer Angst hat, ist zu vielem fähig. Schon seit zwei Wochen häufen sich seltsame Vorfälle. Erst lagen einige Schafe tot auf der Weide. Ein Wolf hat ihnen die Kehle durchgebissen, aber das Fleisch nicht gefressen. Die Männer halten seitdem nachts Wache, aber sie haben noch keinen Wolf gesehen. Und seit Stana gestorben ist, macht sich Unruhe ...“
„Stana?“ Ich schrie fast. „Tot?“
Anica riss die Augen auf. „Oh, das weißt du noch nicht?“ „Wann? Was ist passiert?“
„Eines ihrer Schafe wurde getötet. Vor vier Tagen war das. Und da sie ohnehin arm genug ist, wollte sie das Fleisch nicht verderben lassen, sondern hat davon gegessen. Sie bekam Schmerzen und war zwei Tage später tot.“
Ich konnte nicht behaupten, dass Stana und ich Freundinnen gewesen waren, aber es tat mir leid um sie. Niemals hätte ich ihr ein solches Ende gewünscht. In der Stube war es inzwischen dunkler geworden und Anicas Gesicht schwebte wie eine helle Maske in all dem Schwarz.
„Einige weitere Leute sind ebenfalls krank geworden – darunter die Frau des Zimmermanns, dann der Knecht eines Hajduken und Dajana.“
„Dajana auch?“ Jetzt musste ich mich setzen.
„Sie waren nicht besonders nett zu dir, aber du mochtest sie trotzdem, nicht wahr?“, sagte Anica mitfühlend.
„Ich mag zu viele Leute“, murmelte ich. „Und oft genug die falschen.“
„Dann kann ich ja nur hoffen, dass du erkennst, zu welcher Seite ich gehöre. Ich will ehrlich sein, Jasna. Es steht schlimm. Milutin ist noch vernünftig und rät zur Besonnenheit. Aber Pandur ist völlig außer sich, weil er um Dajanas Leben fürchtet. Und heute Nacht ist ganz plötzlich einer von euren Knechten gestorben. Und zwar der, der Jovan im Leben am schlimmsten verflucht hat. Er ... hat nach
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