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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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klebrigen Messergriff nahm und das tote Tier von der Klinge streifte. Dann sprang ich auf und rannte zu meinem Turm. Ich muss Simeon und Danilo alles erzählen, dachte ich, während ich mit fliegenden Händen die Tür verriegelte. Ich muss ihnen von dem Knecht berichten und ...
    Ich stutzte und hielt inne. Eine neue Erkenntnis traf mich wie ein Blitz. Wie hatte ich nur so blind sein können? Die beiden waren in den vergangenen Tagen einige Male in der Nähe des Dorfes gewesen. Also mussten sie von den Wölfen und Stanas Tod gehört haben. Aber sie hatten mir nichts gesagt. Sie wissen es längst , dachte ich fassungslos. Und sie schützen Nema.

Mohnsamen
     

    H
ätte ich damals geahnt, dass jede Gewissheit meiner fest gefügten Welt binnen weniger Stunden unwiderruflich zerbrechen würde, wäre ich dann noch geflohen? Ich weiß es nicht. Längst war meine Angst einem zornigen Trotz gewichen. Obgleich es dunkel war, war ich zu Jovans Grab gegangen und hatte Mohnsamen zwischen die Steine gestreut. Was auch geschah, er würde nicht aufstehen können, ohne vorher jedes einzelne Samenkorn zu zählen, und das würde ihn sicher die ganze Nacht und einen weiteren Tag beschäftigen. Morgen würde ich ins Dorf gehen und mit Milutin und Branka sprechen. Aber heute war es meine Aufgabe, Gewissheit zu bekommen und Schlimmeres zu verhindern. Ich wünschte mir so sehr Dušans Nähe, aber ich war auf mich gestellt. Also musste ich einen kühlen Kopf bewahren und mich so gut schützen, wie ich es vermochte. Immer noch konnte ich mir keinen Reim darauf machen, warum Simeon und Danilo ungerührt mit ansehen sollten, wie das Dorf zugrunde gerichtet wurde. Waren Hass und Rachsucht bei ihnen so tief verwurzelt?
    Die zwei kamen spät zurück. Ihre Pferde waren müde und liefen mit gesenkten Köpfen im Schritt. Danilo blickte zu meinem Turm hoch, aber ich hatte schon früh die Lichter gelöscht und verbarg mich im sicheren Schatten des Fensterladens.
    Simeon brachte eine Lampe und stellte sie wie jeden Abend auf die Mauer. In ihrem Schein sahen seine Züge verhärmt und traurig aus, und ich fragte mich, was er wohl gerade dachte. Mit hängenden Schultern ging er in den Stall und schloss die Tür.
    Ich wusste, dass Nema im Haus ausharrte und vermutlich ebenso angespannt war wie ich. Hastig steckte ich die restlichen Mohnsamen, den Knoblauch und Dušans Messer ein, das ich von dem Fledermausblut reingewaschen hatte. Niemand durfte mich sehen, also sprang ich aus dem hinteren Fenster. Der Himmel hatte aufgeklart, ein fahler Mond hing wie eine Fratze am Himmel. Ich wäre froh gewesen, wenn Bela mir jetzt zur Seite gestanden hätte, aber sie zeigte sich nicht und ließ nicht einmal ein Flüstern hören.
    Geduckt schlich ich in weitem Bogen um meinen eigenen Turm und zur Rückseite des Hauptgebäudes. Die Läden von Nemas Zimmer waren wie immer verschlossen, nur das Kerzenlicht, das durch die Ritzen schimmerte, zeugte davon, dass sie wach war. Ich holte den Knoblauch hervor, schnitt ihn auf und verrieb ihn in Kreuzform an den Läden. Den Mohnsamen streute ich auf das Fensterbrett. Ein Vampir würde das Haus nun auf dieser Seite nicht verlassen können. Dann umrundete ich das Gebäude, kauerte mich im Sichtschutz der Treppe neben die Tür und wartete.
    Es dauerte sehr lange, aber schließlich drehte sich ein Schlüssel im Schloss. Ich vernahm schleichende, behutsame Schritte. Nema huschte an mir vorbei. Sie verharrte kurz, um zu meinem Turm zu blicken, dann duckte sie sich noch etwas tiefer und schlich weiter. Im schwachen Schein der Lampe konnte ich nicht genau erkennen, was sie machte, auf jeden Fall ging sie nicht zum Tor, um das Gut zu verlassen, sondern auf den Stall zu. Ich hörte, wie die Tür aufschwang. Simeons Stimme ertönte, dann war es wieder lange Zeit still. Ich streute die Mohnsamen, legte Knoblauch auf die Schwelle und presste eine Zehe ins Schlüsselloch, um Nema den Rückweg ins Haus zu versperren, dann schlich ich ebenfalls zum Stall und drückte mich an das Gemäuer. Mit fahrigen Händen schnitt ich den restlichen Knoblauch auf und rieb mir zu meinem eigenen Schutz Hals und Hände damit ein.
    Es erschien mir wie eine Ewigkeit, bis die Tür wieder aufging. Nema huschte gebückt davon – genau auf meinen Turm zu! Nach wenigen Schritten hatte ich sie eingeholt und packte sie am Arm.
    „Was bringst du mir diesmal?“, zischte ich ihr zu. „Einen neuen Hexenbann?“
    Sie stieß ein erschrockenes Keuchen aus. Im Mondlicht

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