Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
du ihn umbringen?“
    Danilo biss sich ertappt auf die Unterlippe und mir fiel ein, dass er den Geruch bei unserer Umarmung angenommen haben musste.
    „Los, gib ihn mir und geh!“, befahl Simeon. Leiser und ohne zu mir zu schauen, setzte er hinzu: „Geht beide!“
    Mit dem Gefühl, etwas Gotteslästerliches zu sehen, verfolgte ich, wie Danilo den willenlosen Körper vorsichtig in Simeons Arme legte und den Kopf des Mannes an dessen Schulter bettete. Es lag Achtsamkeit in dieser Geste, aber keine Liebe.
    Stille senkte sich über das mondhelle Gut, nachdem die Klapptür Nema, Simeon und den Untoten verschluckt hatte. Der Wind hatte aufgefrischt und heulte im Dach des Turms. Ich spürte das verschüttete Pferdeblut an meinem Strumpf kleben. Die Kälte brachte mich in die Wirklichkeit zurück und machte mir das Unbegreifliche mit doppelter Schärfe bewusst.
    „Ihr seht ruhig zu, wie er die Leute im Dorf tötet?“, flüsterte ich voller Entsetzen. Meine Zähne begannen wieder zu klappern und in allen Gliedmaßen schien ein kaltes Feuer zu brennen.
    „Er tötet niemanden“, murmelte Danilo.
    „Und was ist mit Stana und den anderen? Gestern Nacht ist euer Knecht gestorben. Er glaubte, Jovan gesehen zu haben. Dabei war es dieses Ungeheuer!“
    Danilo schüttelte den Kopf. „Was auch immer im Dorf umgeht, mein Bruder kann es nicht gewesen sein!“
    Bruder . Das Wort klang verkehrt und ähnlich erschreckend wie Jovans Sohn .
    „Nema war seit der Beerdigung jede Nacht bei ihm“, fuhr Danilo fort. „Und wenn nicht sie, dann haben Simeon oder ich bei ihm gewacht. Du hast ja selbst gesehen, wie schwach er ist. Selbst wenn er in der Lage wäre, ins Dorf zu gehen: Er ruft keinen Hagelsturm herbei und er würde lieber selbst sterben, als einem Menschen etwas anzutun.“
    „Aber er ist doch ein ...“
    Danilo nickte und ließ den Kopf hängen, wie jemand, der aufgab.
    „Ja, das ist er. Deshalb trägt er auch keinen christlichen Namen, sondern wurde nach dem benannt, was er nun mal ist: Vampir. Auch wenn er nicht aus einem Grab auferstanden ist. Das ist das Grausamste an diesem Fluch: Er trifft uns nicht erst nach dem Tod. Mein Bruder ist ein Lebender in einem zerfallenden Körper. Und Gott allein weiß, was aus ihm wird, wenn er stirbt. Vielleicht verwandelt er sich dann endgültig in ein Ungeheuer und verliert auch noch seine Seele.“ Danilo räusperte sich und machte eine lange Pause, bevor er mit belegter Stimme hinzufügte: „Manchmal denke ich, es wäre besser, ihn noch im Leben zu vernichten, um ihm Frieden zu geben. Aber ich bin ihm verpflichtet, er ist mein Bruder und mein Vater hat ihn mehr geliebt als mich.“
    Eine Gänsehaut stellte die Härchen auf meinen Armen auf. „Ihr ... seid tatsächlich eine Familie von Vampiren!“, flüsterte ich.
    „Das ist unser Schicksal“, sagte Danilo. „Und mein Bruder trägt am schwersten daran. Wir verbergen ihn seit seiner Geburt. Du hättest ihn nicht sehen dürfen. Wir haben ihm befohlen, sich von dir fernzuhalten. Nema hat ihm erzählt, du seist eine Hexe, damit er im Turmkeller bleibt. Aber es nützte nichts. Und seit Vater tot ist, ist er halb wahnsinnig vor Trauer und versucht ständig aus dem Turm zu kommen und zum Grab zu gehen. Als er gestern Nacht in den Hagel hinauslief, musste ich ihn mit Gewalt zurück bringen.“
    Ich sah verstohlen zu der Schramme an seiner Stirn. Es war also kein Pferd gewesen, das ihn im Stall gegen die Tür geschleudert hatte.
    „Simeon und ich verschließen seine Türen“, fuhr er fort. „Aber Nema bringt es nicht immer über sich, ihn wie einen Hund einzusperren.“
    „Die ganzen Nächte, die du fort warst – und auch die Tage über warst du gar nicht ...“
    Danilo lächelte freudlos. „Du dachtest, ich wäre die ganze Zeit bei Anica gewesen? Nein, seit ihrer Heirat habe ich mich von ihr ferngehalten. Erst vor einigen Wochen sahen wir uns wieder. Ich habe sie nur wenige Male getroffen. Ansonsten war ich ... bei ihm. Er darf nie lange allein sein. Er steht so oft an der Schwelle des Todes und leidet wie ein Gefolterter unter der unermesslichen Furcht davor.“
    Das ganze Netz von Lügen und Geheimnissen legte sich immer dichter um mich, mit jeder Bewegung verstrickte ich mich tiefer darin.
    Ich erinnerte mich an die Wochen, in denen alle betrübt gewesen waren und der Trauerschleier über den Türmen lag. Jetzt wurde mir klar, wie sehr Jovan in dieser Zeit um das Leben seines Sohnes gebangt hatte. Der Tod klopft jedes Mal

Weitere Kostenlose Bücher