Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
und entspannen
Sie sich. Danach spielen wir Ihnen ein Tonband mit der Stimme Ihrer Mutter
vor, und ich möchte, dass Sie einfach nur zuhören und nichts sagen.«
    Dr. Selfs Werte bleiben unverändert.
    Ein gespenstisches Heulen
ertönt, das an ein Unterseeboot erinnert, während Benton weiter Dr. Selfs
zugedeckte Füße durch die Glasscheibe mustert.
    »Das Wetter hier ist ausgezeichnet, Marilyn«, erklingt die Tonbandstimme von Gladys
Self. »Ich
brauche die Klimaanlage noch gar nicht einzuschalten - was nicht heißt, dass
sie funktionieren würde. Sie surrt wie ein großes Insekt. Also lasse ich
einfach Fenster und Türen offen, denn zurzeit sind die Temperaturen
erträglich.«
    Obwohl es sich um die neutralen
und am wenigsten verfänglichen Aussagen handelt, tut sich etwas bei Dr. Selfs
Werten.
    »Puls dreiundsiebzig,
vierundsiebzig«, meldet Benton und notiert es.
    »Ich würde sagen, sie empfindet
diese Äußerungen als ganz und gar nicht neutral«, stellt Dr. Lane fest.
    »Ich habe an die vielen wundervollen Obstbäume
gedacht, die du hier in deinem Garten gehabt hast, Marilyn, und die das Landwirtschaftsministerium
wegen Zitrusbrands hat fällen lassen. Ich liebe hübsche Gärten. Sicher freut es
dich, zu hören, dass diese alberne Abholzaktion mehr oder weniger eingestellt
wurde, weil sie nichts genützt hat. Wie schade! Im Leben kommt es eben immer
auf den richtigen Zeitpunkt an.«
    »Puls fünfundsiebzig,
sechsundsiebzig. Sauerstoffgehalt neunundachtzig«, verkündet Benton.
    »... Es ist wirklich zum Kaputtlachen, Marilyn.
Schon den ganzen Tag kurvt etwa anderthalb Kilometer vor der Küste so ein
U-Boot herum. Oben auf dem Dingsda ... wie nennt man es noch mal ... Turm?
Jedenfalls dort, wo das Sichtrohr sitzt, da flattert eine kleine amerikanische
Flagge. Muss am Krieg liegen. Immer hin und her und hin und her. Bestimmt ein
Manöver. Und die kleine Flagge weht. Ich möchte zu gerne wissen, was die da
bloß üben, habe ich zu meinen Freundinnen gesagt. Hat denen noch niemand verraten,
dass man im Irak keine U-Boote braucht...?«
    Der erste neutrale Abschnitt ist
zu Ende. Während der dreißigsekündigen Pause wird noch einmal Dr. Selfs
Blutdruck gemessen. Er ist auf einhundertsechzehn zu zweiundachtzig gestiegen.
Dann erklingt wieder die Stimme ihrer Mutter. Gladys Self erzählt, wo sie in
Südflorida derzeit am liebsten einkauft. Und dann die ständigen Baustellen! Die
Wolkenkratzer schossen wie die Pilze aus dem Boden, sagt sie. Und die meisten
stünden leer, weil die Immobilienpreise in den Keller gefallen seien. Daran sei
hauptsächlich der Irakkrieg schuld, der überall nur Unheil angerichtet habe.
    Dr. Seif reagiert genauso wie
auf die vorangegangenen Äußerungen.
    »Meine Herren!«, ruft Dr. Lane
plötzlich. »Das geht ihr offenbar an die Amygdala. Schauen Sie sich nur ihren
Sauerstoffgehalt im Blut an.«
    Er ist auf siebenundneunzig
gefallen.
    Erneut die Stimme ihrer Mutter,
diesmal positive Äußerungen. Dann kommt die Kritik.
    »... Du warst schon immer eine krankhafte Lügnerin,
Marilyn. Seit du sprechen konntest, habe ich kaum ein wahres Wort von dir zu
hören gekriegt. Und was ist später nur aus dir geworden? Wo hast du nur diese
Moralvorstellungen her? Von unserer Familie bestimmt nicht. Du und deine
schmutzigen kleinen Geheimnisse, die ich so abstoßend und widerlich finde. Du
hast kein Herz, Marilyn. Wenn deine Fans das wüssten! Du solltest dich
schämen, Marilyn ...«
    Der Sauerstoffgehalt in Dr.
Selfs Blut ist auf sechsundneunzig Prozent gefallen. Ihr Atem geht schneller
und flacher und ist durch die Gegensprechanlage gut zu hören.
    »... Die Menschen, die du einfach weggeworfen hast.
Du weißt genau, was und wen ich meine. Ständig lügst du und verdrehst alles,
wie es dir in den Kram passt. Deshalb mache ich mir große Sorgen um dich. Eines
Tages wirst du die Quittung dafür kriegen ...«
    »Puls einhundertdreiundzwanzig«,
meldet Dr. Lane. »Sie hat gerade den Kopf bewegt«, stellt Josh fest. »Kann die
Software das nicht ausgleichen?«, erkundigt sich Dr. Lane.
    »Wird sich zeigen.«
    »... Außerdem glaubst du, dass Geld sämtliche
Probleme löst. Eine kleine Abfindung, und schon bist du aller Verantwortung
ledig. Du stellst die Leute mit Geld ruhig. Ach, das dicke Ende kommt bestimmt.
Eines Tages wirst du ernten, was du gesät hast. Ich will dein Geld nicht. Meine
Freundinnen, mit denen ich öfter in der Tiki Bar sitze, ahnen ja gar nicht, in welchem
Verhältnis ich zu dir stehe

Weitere Kostenlose Bücher