Totenbuch
Mietwagen. Also habe ich mir gedacht, dass er ihn
sicher hier parkt.«
»Wie geht es ihr inzwischen?« Ed
sitzt an seinem Schreibtisch und verspeist den Cheeseburger, den er sich aus
dem Sweetwater
Cafe geholt hat.
»Das war vorhin ganz schön knapp.«
»Tja«, sagt Lucy. »Nicht sehr
gut.«
»Ich habe mich dieses Jahr gegen
Grippe impfen lassen. Trotzdem habe ich zweimal die Grippe gekriegt und dazu
auch noch eine Erkältung. Das ist, als würde man Süßigkeiten essen, um Löchern
in den Zähnen vorzubeugen. Einmal und nie wieder!«
»War Gianni Lupano eigentlich
hier, als Drew in Rom ermordet wurde?«, fragt Lucy. »Ich habe gehört, er sei in
New York gewesen, aber das muss ja nicht unbedingt stimmen.«
»Das hiesige Turnier hat sie an
einem Sonntag mitten im Monat gewonnen.« Er wischt sich den Mund mit einer
Papierserviette ab, greift nach einem großen Colabecher und trinkt aus dem
Strohhalm. »Ich bin sicher, dass Gianni noch am selben Abend abgereist ist,
denn er hat mich gebeten, auf sein Auto aufzupassen. Er meinte, er könne nicht
sagen, wann er zurück sein würde. Und dann war er plötzlich doch wieder da.«
»Aber Sie haben ihn nicht
persönlich gesehen.«
»Das tue ich fast nie.«
»Sie telefonieren nur mit ihm.«
»Normalerweise schon.«
»Ich verstehe das nicht«, seufzt
Lucy. »Welchen Grund außer Drews Teilnahme am Family Circle Cup hätte er noch,
um nach Charleston zu kommen? Wie lange dauert das Turnier? Eine Woche im
Jahr?«
»Sie würden staunen, wie viele
Leute in dieser Gegend eine Wohnung unterhalten. Wir haben sogar Filmstars
hier.«
»Hat sein Wagen ein
Navigationssystem?«
»Klar doch. Ein Auto mit allen
Schikanen. Tolle Kiste.«
»Ich müsste mir mal den
Schlüssel ausleihen.«
»Oh.« Ed legt den Cheeseburger
in den Behälter. »Das darf ich nicht.«
»Keine Sorge, ich will nicht
damit fahren, sondern nur etwas nachschauen. Sie können sicher ein Geheimnis
bewahren.«
»Ich darf Ihnen den Schlüssel
nicht geben.« Ed hat aufgehört zu kauen. »Wenn er dahinterkommt...«
»Ich brauche den Schlüssel nur
für zehn Minuten, höchstens eine Viertelstunde. Er wird es nie rauskriegen,
Ehrenwort.«
»Könnten Sie dann auch den Motor
anlassen, wenn Sie schon mal dabei sind? Es ist nicht weiter schwierig.«
»Wird gemacht.«
Lucy geht zur Hintertür hinaus
und sieht den Porsche in einer abgelegenen Ecke des Parkplatzes stehen. Nachdem
sie den Motor gestartet hat, nimmt sie die Zulassung aus dem Handschuhfach.
Fahrzeughalter des Carrera, Baujahr 2006, ist Gianni Lupano. Sie stellt das
Navigationssystem an, überprüft den Verlauf der eingespeicherten Zielorte und
notiert sie sich.
Die Kühlung des
Magnetresonanzgeräts rauscht.
Im MRI-Labor betrachtet Benton
durch die Glasscheibe Dr. Selfs in ein Laken gehüllte Füße. Sie liegt auf einem
Schlitten in der Öffnung des vierzehn Tonnen schweren Magneten. An ihrem Kinn
ist ein Klebestreifen befestigt, damit sie nicht vergisst, dass sie den Kopf
nicht bewegen darf. Dieser ruht an einer Spirale, welche die zur Abbildung
ihres Gehirns nötigen Funkfrequenzen auffängt. Dr. Selfs Ohren sind von
schalldämpfenden Kopfhörern bedeckt. Wenn die funktionelle Abbildung ihres
Gehirns beginnt, wird sie durch sie das Band mit der Stimme ihrer Mutter hören.
»So weit, so gut«, sagt Benton
zu Dr. Susan Lane. »Mal abgesehen von den Spielchen, die sie mit uns treibt.
Tut mir schrecklich leid, dass Sie alle ihretwegen warten mussten.« Er wendet
sich an den Labortechniker. »Alles in Ordnung, Josh? Sind Sie schon wach?«
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen,
wie ich mich darauf freue«, erwidert Josh, der an seiner Konsole sitzt. »Meine
kleine Tochter hat sich den ganzen Tag übergeben, und meine Frau kriegt
allmählich Mordgelüste.«
»Noch nie habe ich jemanden
kennengelernt, der seinen Mitmenschen so viel Freude bereitet.« Damit meint
Benton Dr. Seif, das Auge des Hurrikans. Als er durch die Scheibe ihre Füße
mustert, stellt er fest, dass sie Strümpfe trägt. »Hat sie etwa eine
Strumpfhose an?«
»Sie können von Glück reden,
dass sie überhaupt etwas anhat. Als ich sie herbrachte, hat sie darauf
bestanden, sich splitternackt auszuziehen«, antwortet Dr. Lane.
»Das wundert mich nicht.« Benton
achtet auf seine Worte, denn obwohl Dr. Seif sie bei abgeschalteter
Gegensprechanlage nicht hört, könnte sie von ihren Lippen ablesen. »Absolut
manisch. Und zwar seit ihrer Ankunft. Ein sehr produktiver Aufenthalt. Fragen
Sie
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