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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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war fast so still, dass man das Gefühl hatte, die unsichtbaren Tränen fließen zu hören, bis Jacobszoon endlich sagte: »Da, wo Sarah jetzt ist, geht es ihr gut, Emma. Sie weiß, dass du das Richtige getanhast, damit ihre Schwester leben kann. Was du in dir trägst, ist ihr Echo auf dieser Erde, damit leistet sie Delfin noch Gesellschaft bis zur Geburt. Ich fände es eine gute Idee, wenn sie danach eine Beerdigung bekäme, ein Grab und einen kleinen Stein. Bestimmt möchte Delfin eines Tages wissen, dass sie eine Schwester hatte, die zu krank war, um zu leben.«
    Jacobszoon hob die Fernbedienung und drückte auf fast forward . Wieder dachte der Commissaris an Klaas van der Meer und den Besuch in dessen Klinik, bei dem ihm ebenfalls ein Video als Illustration menschlichen Elends im elektronischen Zeitalter vorgeführt worden war. Es kam ihm vor, als läge eine Absicht in dieser zufälligen Wiederholung, ein tieferer Sinn, vielleicht sogar ein Hinweis.
    Der Samariter auf dem Bildschirm zuckte über und unter den Bildstörungsstreifen, stabilisierte sich eine Zeit lang und verschob sich dann wieder, als Jacobszoon den Knopf losließ. »Wie lange sind Sie schon verheiratet?«, fragte der Samariter jetzt einen Mann, der schwer und langsam und in großen Abständen ins Telefon atmete.
    »Fünfunddreißig Jahre«, sagte der Mann in der Telefonleitung, »aber jetzt will ich nur noch, dass sie tot ist. Tot, das wünsche ich mir am meisten.«
    Van Leeuwen merkte, wie sein Herz aus dem Takt geriet, als wären auch bei ihm mit einer Fernbedienung die Geschwindigkeit und Richtung geändert worden, rückwärts statt vorwärts, schnell rückwärts.
    »Lieben Sie Ihre Frau nicht mehr?«, fragte der Samariter. Er hatte sich ein wenig der Kamera zugeneigt.
    »Nein«, antwortete der Anrufer. »Ich weiß noch, wie es war, als ich sie geliebt habe, aber ich kann es nicht mehr. Ich weiß nicht mehr … ich weiß nicht, was ich noch tun soll … Wir haben doch kein Geld … Unsere Wohnung ist zu klein für den Rollstuhl, und wenn sie … wenn sie sich …«
    »Weiter«, sagte der Commissaris. Er fragte sich, woran es lag, dass er nie auf den Gedanken gekommen war, jemandem zuschreiben oder jemanden anzurufen, als Sim noch gelebt hatte. Warum hatte er sich nicht an einen Mann mit hypnotischen Augen gewandt, einen Ratgeber, einen Guru vielleicht; an jemanden, der Hilfe versprach, während er in einer halbdunklen Höhle saß – allein mit einem Telefon und einer Kamera – und wie aus einem unterirdischen Bunker heraus Trost spendete.
    Der Psychologe drückte den Fast-forward -Knopf, es gab den Ruck im Bild, der Samariter löste sich auf und setzte sich wieder zusammen, und die nächste Anruferin sagte gerade: »Er will meinen Körper, das weiß ich genau. Er braucht ihn, um weiterleben zu können. Damit er weiter seine Verbrechen begehen kann.«
    »Können Sie den Mann beschreiben, Doris?«, fragte der Samariter, ohne dass sein Gesicht irgendetwas anderes verriet als Anteilnahme.
    »Er ist doch tot«, erwiderte die Anruferin. »Ich weiß nicht, wie er aussieht, weil er ja keinen Körper mehr hat. Ich glaube, er sieht aus wie die ganzen Terroristen auf den Fahndungsplakaten, wie Osama bin Laden oder Abu Nissan oder wie die alle heißen mit ihren Turbanen und den Bärten und der dunklen Haut, und wenn er erst mal meinen Körper übernommen hat, dann kann ihn niemand mehr erkennen, und er kann wieder Bomben legen und Flugzeuge abstürzen lassen, weil er dann … er ist dann ja ich, und er hat meinen …«
    Jacobszoon hob die Fernbedienung und drückte den Aus -Knopf. »So geht das weiter und weiter – Sendung für Sendung die gleichen Anrufe«, erklärte er, »der gleiche Kummer, die gleiche Verzweiflung, der gleiche Schmerz oder die gleichen Hirngespinste.«
    Das Bild verschwand, der Monitor wurde schwarz, und für einen Moment wirkte die Dunkelheit im Studio fast hell gegen das, was der Commissaris auf der Kassette gesehen und gehört hatte. Er fuhr in seinen Trenchcoat, denn ihm war auf einmal kalt. »Ach, da wir gerade von Schmerz und Verzweiflung reden«, meinte er, »sagt Ihnen der Name Gerrit Zuiker etwas, Mijnheer Jacobszoon?«
    »Nein, sollte er das?«
    »Er wurde auch ermordet. In de wallen .«
    »Ach ja, davon habe ich gelesen. Jetzt erinnere ich mich.«
    »Es könnte sein, dass er Sie ebenfalls angerufen hat. Genauer, in der Redaktion von De Avond! oder bei Ihrer Sendung hier auf Veronica. «
    »Woher wissen Sie das?«
    »Es

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