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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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Soeteman kurz vor ihrem Tod noch einmal versucht, Sie zu erreichen. Können Sie mir sagen, was sie wollte?«
    »Heleen hat darum gebeten, in meiner Sendung auftreten zu dürfen«, antwortete Jacobszoon. »Wir haben ihr erklärt, dass ich nur auf Anrufe antworte. Sie war sehr enttäuscht, sehr hartnäckig. Schließlich hat sie sich damit abgefunden. Sie wollte in der nächsten Sendung anrufen, aber dazu kam es dann ja nicht mehr.«
    Während er sprach, nahm er eine Kassette nach der anderen von dem Stapel neben seinem Stuhl, las die Beschriftung und legte die Kassette wieder weg. Er hatte schlanke weiße Hände mit kleinen Knöcheln. Finger, die im Lichtkreis an dünne, geschälte Zweige erinnerten. Alles andere an ihm hob sich kaum von der Umgebung ab: schwarze Schnürschuhe aus solidem Leder, eine weiche schwarze Breitcordhose und ein schwarzer Rollkragenpullover. Zu all dem Schwarz passte auch das gletschergraue Haar des Moderators. Es war leicht gelockt, aber nicht zu lang, der perfekte Rahmen für das von den hellblauen Augen beherrschte Gesicht, das trotzder Bestimmtheit, mit der er sprach, mehr Fragen als Antworten zu haben schien.
    »Sie sagten, Sie wären Heleen Soeteman ein Mal begegnet. Bei welcher Gelegenheit war das?«, erkundigte sich der Commissaris.
    Jacobszoon zögerte einen Moment, entschloss sich dann aber zu antworten. »Sie hat in einer Klinik nach Euthanasie verlangt, und der behandelnde Arzt hat mich um meine Meinung gebeten.«
    »Die Klinik von Klaas van der Meer?«
    »Ja«, bestätigte der Moderator. »Er wollte wissen, wie ernst es ihr war. Das Prozedere in solchen Fällen verlangt, dass ein Patient, der den Wunsch hat zu sterben, von mehreren Fachleuten angesehen wird. Ich war einer davon.«
    »Und waren Sie auch dafür, Mevrouw Soeteman Sterbehilfe zu gewähren?«, fragte der Commissaris.
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Der Tod war eine Erlösung für sie. Es war der einzige Ausweg, der ihr noch blieb. Sie hatte ihn verdient.«
    Der Commissaris dachte an seinen Besuch in Van der Meers Klinik und daran, dass der Arzt dasselbe gesagt hatte. Der Tod war eine Erlösung für sie.
    Der Moderator nahm die nächste Kassette zur Hand, hielt auch ihre Rückseite ins Licht und legte sie ebenfalls zur Seite. »Ich will Ihnen etwas zeigen«, murmelte er. Er griff zum Telefonhörer, wählte eine Nummer und lauschte, aber am anderen Ende hob niemand ab. Er legte den Hörer zurück und zog eine Schublade auf, in der weitere Kassetten lagen. Die oberste schien endlich die gesuchte zu sein, denn er stand auf, ging um seinen Schreibtisch herum und schob sie in den Videorekorder, der auf einem Bang & Olufsen-Fernsehapparat an der Wand neben der Kamera stand. Er schaltete den Fernseher ein. Auf dem Bildschirm erschien in Rot und Schwarz das Emblem des Senders.
    »Sind Sie häufiger als Gutachter in Euthanasiefällen tätig?«, wollte der Commissaris wissen.
    »Nein, nicht sehr oft«, antwortete Jacobszoon. Der Widerscheindes Standbildes verlieh seinen Locken einen rötlichen Schimmer, und es lag wahrscheinlich an diesem Schimmer, dass Van Leeuwen plötzlich das Gefühl hatte, weniger mit einem Menschen zu reden als mit der fast perfekten Nachbildung eines Menschen, einer interaktiven Figur, die sich auf jeden Gesprächspartner einstellen und gleichzeitig bei Bedarf von einem Punkt außerhalb des eigenen Selbst beobachten, steuern und korrigieren konnte.
    »Und in welchem Verhältnis stehen Sie zu Doktor van der Meer?«, fragte der Commissaris. »Offenbar gehören Sie ja zu seinem think tank . Sind Sie oft in der Klinik?«
    Jacobszoon zögerte wieder, aber diesmal antwortete er ausweichend: »Ich weiß nicht, ob Sie meine Kolumne oder meine Sendung kennen, Mijnheer van Leeuwen …«
    »Nur die Kolumne.«
    »Dann haben Sie ja vielleicht eine Ahnung davon, was für Menschen mir schreiben oder mich anrufen, welche Probleme sie bedrücken, wie viel von meiner Antwort für sie abhängt.« Jacobszoon nahm die Fernbedienung, die auf dem Videorekorder lag, und richtete sie auf den TV -Apparat wie eine Laser-Pistole. »Wenn man diese Männer und Frauen und ihre Nöte ernst nimmt, bleibt nicht viel Zeit für anderes.«
    Das Emblem des Senders verschwand. Stattdessen ertönte klassische Musik aus den Stereo-Lautsprechern, vielleicht ein Stück von Schubert. Dazu erschien, wie von einer unsichtbaren Hand in rotem Neon gemalt, der Schriftzug samariter.nl auf dem schwarzen Bildschirm, bevor die Kamera auf Kornelis Jacobszoon zufuhr,

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