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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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bloß die Musik fehlte. The girl with the sun in her hair . Nichts verriet mehr die Punkerin mit der rot gefärbten Stachelfrisur, den eingerissenen Jeans und den noppenbeschlagenen Lederklamotten, in der sie sich einmal versteckt hatte – nichts außer dem wunden, zornigen Blick, der ihr immer noch zu schnell in die großen Augen trat, wenn sie sich verletzt fühlte.
    Doch, gut in der Abwehr, das traf es wohl. Vor zwei Jahren, als sie vierundzwanzig gewesen war, hatte Van Leeuwen sie vor dem Rausschmiss bewahrt, indem er sie in seine Mannschaft geholt hatte; er hatte ihr eine letzte Chance gegeben, weil ebendieser wunde Zorn ihn berührt hatte. Sie war jemand, der leicht aneckte und schnell die Krallen ausfuhr, aber er wusste, dass sie geführt werden wollte, gezügelt und gezähmt. Er konnte es hinter dem Zorn in den grauen Augen lesen, wo er alles Mögliche gefunden hatte, Angst, Tapferkeit, Verständnis, Sehnsucht. Fernwärme , hatte er es für Simone zusammengefasst.
    Sie war kaum geschminkt, ihre junge, porzellanglatte Haut brauchte das nicht. Alles war zart an ihrem Gesicht – die kleine, gerade Nase, die großzügig geschwungenen Augenbrauen, der Mund, dessen glatte Lippen mit dem nur schwach aufgetragenen Rot an ein geteiltes Tulpenblatt erinnerten. Heute trug sie einen schwarzen Rollkragenpullover, Jeans, schwarze Stiefeletten mit hart knallenden Absätzen, dazu eine mit roten, grünen und schwarzen Karos gemusterte Jacke. Für eine Polizistin im Einsatz war sie damit fast zu klassisch gekleidet – auf eine Art, die zeigte, dass sie anfing, sich mit anderen Augen zu sehen: mit den Augen von Männern, denen sie gefallen wollte, Männern mit der Erfahrung gelebter Jahre. Ich würde auf mich stehen, wenn ich ein Mann wäre , sagte ihr Outfit. Ja, sie war sogar hervorragend in der Abwehr – von allem.
    Ganz anders Inspecteur Vreeling, neunundzwanzig, gezeugt in Aruba auf den niederländischen Antillen, geboren in Rotterdam, eingewandert zu Schiff, aber noch im Mutterleib. Er war vielseitig verwendbar, im Angriff, im Tor, als Spielmacher, aber immer nurfür kurze Zeit, bis er die Lust verlor. Und stets gut gelaunt, selbst wenn er auf die Bank geschickt wurde, weil er wieder mal übers Ziel hinausgeschossen war. Seine Spezialität waren verdeckte Ermittlungen, besonders, wenn es um die Verbrechen mit ethnischem Hintergrund ging, die neuerdings auch religiös geprägt sein konnten. Er wurde in Kreisen akzeptiert, in die sie sonst als Polizisten nie hineingekommen wären. Ob es an der Art lag, wie er sich kleidete?
    Heute Morgen, zum Beispiel: ein kornblumenblaues muscle shirt , ein klatschmohnrotes Halstuch, schilfgrüne docker pants , eine glänzende, kieselfarbene Fleece-Jacke, dazu Stiefeletten und Gürtel aus imitiertem Krokodilleder, sodass er mit seinen kohlschwarzen Locken, der olivfarbenen Haut und den jadeblauen Augen aussah, als hätten alle Früchte der Erde sich zusammengetan, um dieses farbenprächtige Gesamtkunstwerk von einem Mann hervorzubringen, komplett mit schneeweißen Zähnen und paprikarotem Mund.
    »Was hast du eigentlich mit deiner Hand gemacht, Remco?«, erkundigte sich der Commissaris.
    »Ach, das ist gestern Abend beim Karate passiert«, antwortete Vreeling, »nur ein bisschen gestaucht. Hey, ich kann inzwischen drei Ziegel mit einem Handkantenschlag zertrümmern.«
    Van Leeuwen brummte. »Bestimmt sehr nützlich, falls man mal von drei Ziegeln gleichzeitig angegriffen wird.«
    »Ich dachte, du wolltest zu deiner Familie nach Rotterdam, Karate Kid«, sagte Julika. »Zum Zwanzigjährigen eurer Kneipe.«
    »Da war ich am Samstag«, meinte Vreeling. »Wir mussten alle mit anfassen, mein Bruder, meine Schwester und ihr Mann, unsere Eltern. Karibische Küche, scharfe Gewürze, kubanische Zigarren, Rum, Kokosnusseis, das ganze bacardi feeling , inklusive Gitarren und Steeldrums … Ich bin erst am Sonntagvormittag ins Bett gekommen. Hätte dir bestimmt auch Spaß gemacht, wenn du mitgekommen wärst. Ton hat sogar gelächelt, mehrmals.«
    »Du warst mit, Ton?«, hakte Julika überrascht nach. »Hattest du nicht vor, zu diesem Ehemaligentreffen der holländischen Friedenstruppe zu gehen, in Den Haag?«
    »Ja«, sagte Gallo.
    »Und?«
    »Ich bin doch nicht hingegangen.«
    »Und du, Brigadier Tambur, hattest du ein schönes Wochenende?«, wollte der Commissaris wissen.
    »Ein sehr schönes«, antwortete sie. »Ich durfte die ganze Nacht aufbleiben und meinem Vater die Hand halten, damit er

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