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Totenfeuer

Totenfeuer

Titel: Totenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Prinzesschen oder einer kühlen Karrieristin, die allen auf die Nerven gehen und im Ernstfall einknicken würde. Denn was sonst sollte man von einer erwarten, die ihr Medizinstudium nach vier Semestern hingeschmissen hat, um sich vom Papa abzunabeln und wohl nur aus purem Trotz zur Polizei gegangen ist? Da konnte Völxen viel erzählen von Ehrgeiz und Hochbegabung und Jahrgangsbester an der Polizeischule. Wie sollte so ein Fräuleinwunder in ihr Dezernat passen? Aber inzwischen hat sich viel geändert. Oda schätzt die junge Kollegin, die allenfalls dann nervt, wenn man ihr die Gelegenheit bietet, einen Vortrag über ihr Steckenpferd, die Stadtgeschichte Hannovers, vom Stapel zu lassen.
    Oda streift ihre Schuhe ab und schlüpft aus der schwarzen Hose. Sie hat die ganze Fahrt über den Reißverschluss offen gelassen, denn was das exzessive Schlemmen anging, hat Veronika absolut recht behalten. Oda schlüpft in ihre Jogginghose, schnappt sich eine Flasche Wein und geht damit in die Küche, um sie zu öffnen. Jetzt nur noch die Glotze an, die Füße hochlegen, zwei Gläser Roten und dann ab ins eigene Bett. Wieso muss ich gerade jetzt an Jule denken, fragt sich Oda. Sicher nicht wegen der Weinkiste im Wagen. Nein, es haben sich inzwischen gewisse Parallelen in ihrer beider Leben ergeben: männerlose Wochenenden. Der Mann, den es seit dem vergangenen Sommer in Odas Leben gibt, hat im Herbst ein Engagement als Regisseur in Zürich angenommen. Nur jedes zweite oder dritte Wochenende verbringen sie zusammen, die anderen widmet Daniel seinem Job oder seinen zwei Kindern, die bei der Exfrau in Hamburg leben. Oda kommt mit dieser Regelung gut zurecht, denn im Grunde kann sie keinen Mann gebrauchen, der ihr Privatleben durcheinanderbringt. Es gibt nur selten Momente, in denen sie sich mehr Nähe wünscht. Jetzt zum Beispiel. Aber Jule ist jedes Wochenende allein und nahezu jeden Abend unter der Woche, und das unfreiwillig. Es schmerzt Oda, mit ansehen zu müssen, wie die sonst so rationale, klar denkende Jule an ihrer Liebe leidet. Oda spürt die inneren Kämpfe, die in Jule toben, sie würde ihr gerne helfen und weiß doch genau, dass sie gar nichts tun kann. Nur abwarten und ihr eine Schulter zum Ausheulen anbieten, wenn es einmal endgültig vorbei ist. Was hoffentlich bald der Fall sein wird. Oda kann den Mann nicht leiden, obwohl er Charme hat und gut aussieht. Ihre Abneigung hat keine moralischen Gründe, sie hatte selbst schon genug verheiratete Geliebte, und sie versteht durchaus, was Jule an diesem Mann so anziehend findet. Aber Oda weiß zu viel über Leonard Uhde, Dezernat 2.1.K, Raub und Erpressung, ausgerechnet, um auch nur einen Hauch Sympathie für ihn zu empfinden.
    Wo, zum Teufel, ist der Korkenzieher? Kaum ist man ein paar Tage aus dem Haus, schon ist nichts mehr an seinem Platz. Sie öffnet sämtliche Küchenschubladen und inspiziert mit einem wissenden Lächeln die volle Spülmaschine: zahlreiche Gläser, ein paar Teller mit Pizzaresten. Die dazugehörigen sechs Pizzakartons lagern im Altpapierkorb, daneben das Leergut: eine Flasche finnischer Wodka, eine Flasche Weißwein und etliche Dosen Red Bull. Es gab also eine Party, so so. Nun, warum auch nicht? Dafür sieht die Wohnung sogar noch recht manierlich aus, konstatiert Oda zufrieden und kombiniert mit kriminalistischem Scharfsinn: Folglich fand die Fete in Veronikas Zimmer statt, und dort befindet sich wohl auch der Korkenzieher. Mit müden, schweren Beinen erklimmt Oda die Treppe zur Galerie und betritt das Zimmer ihrer Tochter. Ein paar leere Gläser stehen hier noch herum. Im Bücherregal findet Oda den gesuchten Gegenstand neben einer leeren, leicht zerkratzten CD -Hülle. Auf der Hülle liegt die abgelaufene Kundenkarte eines Videoverleihs im Scheckkartenformat. Ein normaler Mensch hätte an dieser Anordnung womöglich überhaupt nichts Verdächtiges gefunden, aber Oda ist kein normaler Mensch: Sie ist Hauptkommissarin bei der Kripo, diplomierte Psychologin und Mutter. Aus der Sicht einer Sechzehnjährigen wohl die schlimmstmögliche Kombination. Oda knipst die Schreibtischlampe an und hält die CD -Hülle unter den Lichtstrahl. In den Kratzern sind winzige Spuren einer weißen Substanz erkennbar. Ihr Herzschlag beschleunigt, sie will nicht tun, was sie nun tut, aber sie weiß auch, dass sie nicht darum herumkommt. Ihre Zungenspitze fährt diagonal über die Hülle. Sekunden später kommt es Oda vor, als ob jemand ihren Magen umdreht und auswringt wie

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