Totenfeuer
und diversen Verwandten, Anna als Schulkind, ein paar Ferienbilder an Stränden, eines in den Bergen. Felks verstorbene Frau war eine attraktive Kopie von Anna, aber auch Roland Felk macht etwas her. Athletische Figur, hellbraune Locken, auf den späteren Aufnahmen ins Grau übergehend. Ein Frauentyp. Eine Aufnahme zeigt Felk hinter einem erlegten Rehbock kniend, neben ihm sein Hund, ein braun-schwarz-weiß gefleckter Terrier.
Im Bad – auch hier alles neu und trendy – findet Jule die üblichen Toilettenartikel und viele homöopathische Medikamente und Bachblüten-Essenzen. Nichts davon deutet auf die regelmäßige Anwesenheit eines weiblichen Wesens hin, es gibt lediglich eine verschlossene Packung Kondome.
Drüben wurde inzwischen der Waffenschrank geöffnet. Darin befinden sich eine Büchse, eine Bockdoppelflinte und Schachteln mit Munition, sowohl Patronen für die Büchse als auch Schrotpatronen in drei verschiedenen Ausführungen.
»Die zweite Schrotflinte fehlt«, stellt Anna fest. »Ich denke, dass er mit Oscar auf Pirschgang war.«
»Unternahm Ihr Vater diese Pirschgänge eher morgens oder abends?«, fragt Fernando.
»Beides.«
»Was ist der Hund für eine Rasse?«
»Ein Mix aus Jagdterrier und Jack-Russel-Terrier.«
»Fernando, schaut euch doch bitte mal den Keller an«, sagt Jule. Nicht, dass sie sich dort unten aufschlussreiche Funde erhofft, aber sie möchte sich gerne ungestört Felks Arbeitsplatz ansehen. In den Schubladen des Sekretärs ist, bis auf einen Hefter mit Kontoauszügen, nichts, was Jule interessant erscheint. Sie betrachtet den letzten Auszug des Girokontos. Er stammt vom 1. April und weist ein Guthaben von 2012,23 Euro auf. Im Seitenfach stehen Ordner, die mit Steuer und den Jahreszahlen 2004 bis 2009 beschriftet sind, und einer mit der Aufschrift Versicherungen . Um Diskussionen gar nicht erst aufkommen zu lassen, trägt Jule die Ordner und die Kontoauszüge sogleich hinaus zum Dienstwagen und verstaut das Material im Kofferraum.
»Also ich muss schon sagen, in dieser Familie sterben sie ja zurzeit wie die Fliegen.«
Eine Frau steht am Gartenzaun des Nachbargrundstücks. Ihr geblümtes Sommerkleid – weit schwingender, knielanger Rock, Puffärmel, Schleife am Ausschnitt – muss aus den Sechzigerjahren stammen, sie selbst dürfte um die siebzig sein, schätzt Jule. Sie hat kein Gramm Fett am Köper, ihr grellrot gefärbtes Haar fällt ihr bis über die Schultern, ihre Augenlider sind taubenblau und die Lippen in einem dramatischen Ochsenblutrot geschminkt. Eine schwarze Katze streicht ihr um die knotigen nackten Füße, die in quietschgelben Crocs stecken. Jule geht auf die Erscheinung zu, darauf gefasst, dass diese sich im nächsten Moment auf ihren Besen schwingen und davonreiten wird. »Wedekin, Kripo Hannover.«
»Lütze, Landfrauen Holtensen.« Sie legt die Harke weg, mit der sie eben noch in ihrer verwilderten Scholle herumgestochert hat. »Es stimmt doch, dass der Felk der Tote vom Osterfeuer ist?«
»Wahrscheinlich.«
»Ich mochte ihn ja nicht so besonders. Ich meine, ich kann mich nicht beschweren, als Nachbar war er völlig in Ordnung, ruhig, hilfsbereit, aber so richtig warm geworden bin ich mit dem nie.«
»Seit wann wohnen Sie denn schon hier?«, fragt Jule.
»Seit fünfzig Jahren. Ich stamme aus Schlesien, habe hierher geheiratet. Mein Mann war bei der Post, er ist 1998 gestorben. Die Anna hab ich groß werden sehen. Ihre Mutter war eine sehr nette Frau. Nach ihrem Tod ist der Felk extrem komisch geworden. Ein Arzt, der plötzlich aufhört, Arzt zu sein, und nur noch Hokuspokus macht, wo gibt’s denn so was? Aber ein paar von den klimakterischen Weibern hier aus dem Dorf sind prompt zu ihm hingerannt mit ihren eingebildeten Wehwehchen. Möchte nicht wissen, wo’s die in Wirklichkeit gejuckt hat. Gut ausgesehen hat er ja, der Felk. Ein stattliches Mannsbild, wie man so sagt. Angeblich haben sie bei seinen Sitzungen auch Drogen genommen und so Pilze, von denen einem ganz blümerant wird. Andererseits – die Leute reden ja gern und viel, es wird wohl nur die Hälfte davon wahr sein. Sie wollen sicher wissen, wann ich ihn zuletzt gesehen habe. Das war am Samstagvormittag. Ich kam gerade von Aldi , da stand er da drüben in seinem Feng-Shui-Garten und hat mir das mit seinem Vater erzählt, dass der gestorben ist. Ich habe kondoliert. Der alte Heiner Felk war ein feiner Kerl. Vielleicht werde ich zur Beerdigung gehen, mal sehen.«
An dieser Stelle muss
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