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Totenfeuer

Totenfeuer

Titel: Totenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Sie eine Schrotflinte?«, fragt Fernando.
    »Wieso eine Schrotflinte? Ist Roland erschossen worden?«, fährt Martha dazwischen, aber weder Jule noch Fernando antworten ihr.
    »Drüben, im Waffenschrank. Wollen Sie sie sehen?«
    Sie durchqueren eine geräumige Eingangshalle mit einer großen Glasfront zwischen dicken Fachwerkbalken. Unterwegs erhascht Jule einen Blick in die Küche: ein Albtraum in Eiche rustikal. Martha Felk ist nicht mitgekommen, worü­ber niemand traurig ist.
    »Hat sich Ihr Vater, als er noch hier wohnte, in die Geschäfte eingemischt?«, erkundigt sich Jule.
    Ernst Felk seufzt. »Ach, wissen Sie, wenn Alt und Jung zusammenleben, gibt’s immer mal Probleme. Martha und ich sind seit 1970 verheiratet. Damals war mein Vater ja erst fünfzig und noch viel zu jung fürs Altenteil. Für Martha war das nicht leicht, vor allem nicht mit Roswitha, unserer Mutter. Die hatte damals ja noch das Sagen auf dem Hof. Sie war eine sehr resolute Person. Anfang der Achtziger wurde sie dann ziemlich rasch immer kränker. Martha hat sie fast zehn Jahre lang gepflegt, bis es wirklich nicht mehr ging, das rechne ich ihr hoch an. Mit meinem Vater allein war es dann einfacher. Er und ich haben zusammen den Hof bewirtschaftet, und Martha hat das Finanzielle geregelt, darin ist sie sehr gut. Unsere Pferde haben immer mehr Preise geholt, und inzwischen gehört unser Betrieb zu den ersten Adressen im Land. Und damit meine ich nicht nur Niedersachsen. Nach seinem Achtzigsten hat sich mein Vater immer mehr aus dem Betrieb zurückgezogen. Die Idee, ins Altenheim zu ziehen, kam schließlich von ihm selbst, wir haben ihn nicht dazu gedrängt. Und es hatte auch nichts mit Roland zu tun, das ist Unsinn, was Martha da erzählt.«
    Das hat sich Jule bereits gedacht. »Wie hat Ihr Vater denn nun wirklich auf Rolands … wie soll ich sagen … Wechsel der Fachrichtung reagiert?«
    »Begeistert war er nicht gerade. Aber er war ein Pragmatiker und nahm es von der humorvollen Seite. Andere Ärzte werden Kabarettisten, warum sollte Roland nicht Wunderheiler werden, hat er immer gescherzt. Außerdem war er der Meinung, Roland sei alt genug, um zu wissen, was er tut, und zur Not könne er ja in Frührente gehen.«
    »Ich glaube, ich hätte Ihren Vater gemocht«, lächelt Jule.
    Der Inhalt des Waffenschranks besteht aus fünf Büchsen, einer Bockdoppelflinte, einer Pistole, zwei Schrotflinten und einer angebrochenen Flasche Nordhäuser .
    Fernando schnüffelt an den Flintenläufen, aber er riecht nur Waffenöl. »Welche Schrotpatronen verwenden Sie?«
    »Kommt darauf an.« Felk geht zu einem kleineren Holzschrank und öffnet ihn. »Suchen Sie sich was aus.«
    Genug Munition, um einen Bürgerkrieg damit anzuzetteln, darunter natürlich auch Schrotpatronen verschiedener Körnung.
    »Ist mein Bruder erschossen worden?«
    Fernando nickt. »Sonntagmorgen um kurz nach sechs auf dem Wolfsberg. Mit einer Ladung Schrot. Den Schuss müsste man hier sogar gehört haben.«
    »Ich habe nichts gehört. Ich war noch im Bett.«
    »Kann Ihre Frau das bestätigen?«, fragt Fernando.
    Ernst Felk ist blass geworden. »Nein. Wir haben getrennte Schlafzimmer. Ich schnarche.«
    Warum hätte ich das schon im Voraus sagen können, fragt sich Fernando. »Haben Sie eine Idee, wer es gewesen sein könnte?«
    Der Hausherr geht zum Waffenschrank, greift nach der Flasche Korn und nimmt einen kräftigen Schluck. Danach röten sich seine Wangen langsam wieder. »Nein, ich wüsste niemanden.«
    »Können Sie sich einen Grund denken, warum jemand Ihren Bruder getötet haben könnte?«, insistiert Fernando.
    »Nein. Nein, wirklich nicht.«
    »Kann Anna eigentlich auch mit Waffen umgehen?«, will Jule wissen.
    »Sie hat keinen Jagdschein, aber sie war oft mit meinem Vater auf der Jagd. Um eine Schrotflinte abzufeuern, muss man kein Genie sein. Aber Sie denken doch nicht …«
    Jule macht Fernando ein Zeichen zu gehen.
    Ernst Felk begleitet die Besucher bis zu dem schmiedeeisernen Tor, vor dem ihr Wagen parkt. Der Hof, der vom Wohnhaus und den Stallungen begrenzt wird, ist absolut sauber, nirgends liegt Gerümpel oder Schmutz. Kein Zweifel, die Felks halten ihren Laden gut in Schuss. Jule bleibt am Zaun der Pferdekoppel stehen, die sich an eines der Stallgebäude anschließt. Eine braune Stute reckt den Hals nach den frischen Trieben eines eingezäunten Apfelbaums, ein Fohlen presst sich ängstlich an ihre Flanke. Sein Fell sieht plüschig aus, und die Beine sind staksig und

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