Totenfeuer
Bock bringt man doch keinen um, noch dazu ein halbes Jahr später«, behauptet Fritz Hagedorn, ein pensionierter Postler, nachdem diese Story noch einmal in allen Varianten durchgekaut worden ist.
»Da gäbe es aber noch andere Gründe«, meint Jakob Rollik, Schreinermeister im Ruhestand, mit listigem Lächeln.
»Ach, welche denn?«, lockt ihn Köpcke aus der Reserve.
»Man munkelt, dass der Felk was mit dem Gutensohn seiner Alten hatte. Deswegen soll sie ja abgehauen sein vor drei Jahren.«
»Das war doch nur so ein Gerücht. Die hätte man doch mal zusammen gesehen«, zweifelt Fasold.
»Denkst du, die laufen die Dorfstraße rauf und runter?«, trumpft Hagedorn auf. »Meine Frau hat erzählt, dass die Gutensohn völlig begeistert von Felk war. Er hätte ihr ganz neue Lebensperspektiven eröffnet. Das kann man jetzt sehen, wie man will. ›Die tut gerade so, als wäre er der neue Messias‹, hat meine bessere Hälfte damals gesagt, daran erinnere ich mich genau.«
»Weiber! Die spinnen doch alle!«
»Das sind die Wechseljahre«, lässt sich Altbauer Koch, ein sehr betagtes Chormitglied mit einer Stimme wie ein Topfkratzer, vernehmen.
» Midlife-Crisis nennt man das heutzutage«, korrigiert ihn Rollik. »Da sind die leichte Beute für so ’nen Quacksalber.«
»Die war aber immer schon ein bisschen eigenartig. Hat kein Fleisch gegessen – und das als Frau von ’nem Jäger!«
»Das kommt davon, wenn man nachts lieber auf Sauen ansitzt anstatt auf der Sau sitzt!«
Grölendes Gelächter, dem eine weitere Runde Schnaps und eine Reihe ähnlicher Altmännerwitze folgen. Niemand wird je anerkennen, was ich hier für Opfer bringe, denkt Völxen in einem Anflug von Selbstmitleid.
»Wisst ihr noch, wie sich die Gutensohn mal beim Obstweinfest so betrunken hat, dass man sie nach Hause tragen musste?« Altbauer Koch zeigt grinsend die paar Zähne, die er noch hat.
»Nein, das war doch die Alte vom Lammers, da verwechselst du was«, antwortet Köpcke.
Und ein anderer verrät: »Stimmt, die Lammers säuft sich gern mal einen. Und beim letzten Maisingen hat die sich vielleicht an den Felk rangeschmissen, da war der alles egal.«
»Der hat sämtliche Weiber verrückt gemacht mit seinem Hokuspokus! Wenn ich du wäre, Kommissar, dann würde ich den Täter unter den gehörnten Ehemännern suchen«, rät Jakob Rollik.
»Ein Glück, dass das der alte Heiner Felk nicht mehr erleben musste«, seufzt Uwe Falsold. »Das war ein feiner Kerl.«
»Stimmt«, sagt Köpcke. »Schade um den. Aber mit neunzig – da kann man der Hebamme keine Schuld mehr geben.«
»Jetzt gehört ihr ja der Laden endlich ganz. Jetzt kann sie schalten und walten, wie sie will«, stellt Fritz Hagedorn fest.
»Wem gehört welcher Laden?«, fragt Völxen.
»Martha Felk das Gut. Heiner Felks Schwiegertochter. Die hat Haare auf den Zähnen, das sag ich dir!«, erklärt Fasold.
»Aber der Ernst ist doch auch noch da«, wirft ein rundlicher Herr mit mächtigem Schnäuzer ein.
»Ach, der. Der steht doch total unterm Pantoffel.«
»Wo andere Leute ein Herz haben, sitzt bei Martha eine Geldkassette«, lästert Rollik.
»Sie soll stinksauer gewesen sein, als der Alte neulich diese Amerikanerin angeschleppt hat. Hat mir der Reporter von der Calenberger Zeitung erzählt«, berichtet der Berufsschullehrer.
»Was denn für eine Amerikanerin?«, will Völxen wissen.
»Keine Ahnung. Es hatte wohl was mit den Vorbesitzern zu tun, das waren Juden«, erklärt Fasold.
»Das war die Enkelin, die hat sich das Gut angesehen«, erklärt Koch.
»Den Ludwig Felk, Heiners Vater, habe ich sogar noch gekannt, der ist ’51 beim Holzrücken tödlich verunglückt«, lässt sich Schreinermeister Rollik vernehmen. »Ich frag mich, was aus seiner Frau wurde.«
»Die starb ’69«, weiß Altbauer Koch. »Ein Jahr, bevor Ernst und Martha geheiratet haben. Das war damals eine Riesenhochzeit, aber sie musste wegen des Todesfalls um ein paar Monate in den Herbst verschoben werden. Früher hat man das ja noch strenger genommen mit dem Trauerjahr.«
»Darauf wird Roswitha schon geachtet haben«, ergänzt Uwe Fasold, kippt noch einen Klaren und spült mit Bier nach.
»Wer ist denn Roswitha?«, hakt Völxen nach.
»Heiner Felks Frau, die Mutter von Ernst und Roland«, erklärt Köpcke.
»Das war auch so ein Besen. Eine staubtrockene Protestantin«, weiß Expostler Hagedorn.
»Nur die Frau vom Doktor war in Ordnung«, räumt der Schnäuzer ein. »Und die Tochter Anna macht
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