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Totenfluss: Thriller (German Edition)

Totenfluss: Thriller (German Edition)

Titel: Totenfluss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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sie. Diese ganze Lunge voll köstlichem Sauerstoff – sie ließ sie in einem einzigen Wort entweichen. »Archie!« Es klang hell und klar wie eine Glocke in ihrem Kopf, aber sie war sich nicht einmal sicher, dass sie es laut gesagt hatte. Sein Name hallte in ihrem Kopf wieder und verblasste zu einer Art Mantra, während sie unter die Wasseroberfläche sank.
    Archie.
    Es dauerte einen Sekundenbruchteil, bis sie realisierte, dass sie unter Wasser war. Es war still hier, das Brausen des Flusses war nur ein fernes Summen.
    Sie streckte eine Hand nach oben, und es gelang ihr, mit den Fingerspitzen die kalte Nachtluft zu finden, aber sie hatte keinen Ansatzpunkt, keine Möglichkeit, sich über die Wasseroberfläche zu stoßen. Sie fühlte, wie ihr Körper in Panik geriet, wie ein Funke, der zu einer Flamme ausbricht, und sie atmete Wasser ein, einen großen kalten Schluck. Sie würgte, und es tat weh, aber sie konnte nicht aufhören. Sie atmete noch mehr davon ein.
    Ihr Gehirn funktionierte nicht. Sie suchte träge nach einem Satz, an dem sie sich festhalten konnte.
    Das zweite Stadium. Der Kehldeckel verschloss die Luftröhre. So verhinderte der Körper, dass sich die Lungen mit Wasser füllten.
    Sie war jetzt ruhig und sehr müde. Das Wasser trug sie. Es war eine Erleichterung, nicht mehr kämpfen zu müssen, den Körper ruhen zu lassen.
    Sie fror nicht mehr.
    Sie dachte an ihren Vater, als er sterbend in seinem Krankenhausbett lag, und wie sein Tod nach all den Monaten des Kämpfens am Ende friedlich gewirkt hatte.
    Sie dachte an ihre Mutter, und wie stinksauer sie das machen würde.
    Was war das dritte Stadium? Bewusstlosigkeit. Die würde bald eintreten, und dann würde es zum Herzstillstand kommen. Ihr Herz würde zu schlagen aufhören. Dann war sie klinisch tot. Es würde nicht wehtun. Sie würde schlafen.
    Vier Minuten.
    So viel Zeit lag zwischen dem klinischen Tod und dem biologischen Tod. Wiederbelebung. Defibrillation. Man konnte das Herz neu starten, wenn man rechtzeitig kam.
    Vier Minuten. Etwa die Länge eines durchschnittlichen Popsongs.
    So lange hatte Archie Zeit, sie zu retten.

59
    Er hatte ihre Stimme gehört.
    Niemand sonst im Boot hatte sie gehört. Doch Archie war sich sicher, dass er gehört hatte, wie Susan seinen Namen rief.
    »Still«, sagte er.
    Der Soldat, der das Schlauchboot steuerte, stellte den Außenbordmotor ab, und Archie rief zurück. Aber es kam keine Antwort. Nur die Hubschrauber. Das endlose Stakkato des Regens. Das Crescendo der Strömung.
    Archie suchte die Finsternis ab, um zu bestimmen, woher der Schrei gekommen war.
    »Da entlang«, rief er, und der Außenborder sprang wieder an, bis Archie zehn Meter weiter sagte: »Hier.«
    Einer der Soldaten forderte per Funk ein Tauchteam an und dirigierte einen Hubschrauber zu ihnen. Jemand warf eine Rettungsboje ins Wasser. Sie landete mit einem dumpfen Planschen. Jemand anderer schwenkte den Suchscheinwerfer des Boots herum und suchte die Wasseroberfläche ab. Aber sie hatten nicht so viel Zeit.
    Archie sprang aus dem Boot und ging unter.
    Es war nicht das erste Mal, dass er in eine solche Dunkelheit getaucht war.
    Als Gretchen in ihrem Keller mit dem Skalpell in ihn geschnitten hatte, war die Dunkelheit ein Trost gewesen, und später, nachdem sie ihn gehen ließ, hatte er sich in all diesen Nächten, in denen er mit sieben Vicodin im Blut eingeschlafen war, danach gesehnt, seinen Verstand wieder zu diesem Abgrund wandern zu lassen.
    Das Hochwasser war seiner Form und seinem Gewicht nach dieser Ort.
    Er tastete unbeholfen mit gespreizten Fingern unter Wasser umher. In seinen Ohren hämmerte es, und sie schmerzten von der Kälte. Er tauchte tiefer.
    Ein Märtyrer mit einem Weißer-Ritter-Komplex, hatte Anne gesagt.
    Nur dass die Leute, die er zu retten versuchte, sonst starben.
    Selbst unter Wasser konnte er das Brausen des Flusses hören. Die Strömung drehte ihn beinahe um. Seine Ohren schmerzten von der Kälte. Er öffnete die Augen und sah nur Schwärze. Er schraubte sich tiefer, kämpfte gegen die Strömung an. Er spürte, wie sie ihn transportierte. Seine Lungen schmerzten.
    Er streckte Arme und Beine und hoffte, Kontakt mit ihr zu bekommen.
    Aber er brauchte Luft.
    Er schwamm nach oben, durchbrach die Wasseroberfläche, prustete.
    Er sah sich um. Das Boot war dreißig Meter entfernt. Die Strömung hatte ihn in kurzer Zeit fünfzig Meter flussabwärts gespült.
    Und dann, plötzlich – Licht.
    Er war in Licht getaucht. Er musste

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