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Totenfluss: Thriller (German Edition)

Totenfluss: Thriller (German Edition)

Titel: Totenfluss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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blinzeln, ehe er etwas sah. Milliarden winziger Regentropfen glitzerten in dem Licht. Der Strahl kreiste ihn ein und führte geradewegs zum Himmel hinauf.
    Er war im Suchscheinwerfer eines Hubschraubers.
    Die Rotoren, deren Knattern in den letzten Tagen zu einem allgegenwärtigen Hintergrundgeräusch geworden war, klangen wie die Trompete einer angreifenden Kavallerie.
    Dann sah er etwas in dem Licht von oben herabkommen. Sie ließen einen Rettungskorb herunter. Sie versuchten, ihn zu retten.
    Nein.
    Archie konnte nicht einmal mehr richtig Atem holen – seine Lungen waren zu müde, zu voll mit Schlamm. Aber er nahm so viel Luft auf, wie er konnte.
    Er hatte sich versprochen, dass er sie retten konnte.
    Er tauchte geradewegs nach unten, stieß sich mit aller Kraft durch das eisige Wasser, und seine Hand strich an etwas.
    Er tastete danach, griff zu und schwamm an die Oberfläche.

60
    Das Erste, was Susan wahrnahm, war, dass sie Wasser erbrach.
    Es spritzte auf das Pflaster neben ihr wie Kaffee, der aus dem Fenster eines fahrenden Autos geschüttet wird. Ihr Magen zog sich zusammen, und sie hatte rasende Kopfschmerzen. Jeder Knochen tat ihr weh. Und sie fror bis ins Mark, jeder einzelne Muskel war hart vor Kälte.
    Sie hörte einen Laut. Derselbe Laut immer wieder, und nach einer Weile begriff sie, was es war.
    »Susan?«
    »Susan?«
    »Susan?«
    Warum sagte jemand ständig ihren Namen? Sie war verkatert. Oder erkältet. Oder hatte einen furchtbaren Traum. Sie brauchte Ruhe.
    »Können Sie mich verstehen?«
    Es war Archies Stimme.
    »Lassen Sie mich in Ruhe«, sagte sie.
    »Wissen Sie, wer ich bin?«
    Sie murmelte seinen Namen.
    »Kennen Sie Ihren Namen?«
    Was hatte er für ein Problem? »Susan«, sagte sie.
    Und dann fiel ihr alles wieder ein. Der Fluss. Die Flut.
    Sie sah sich um, ihr Bewusstsein mühte sich durch den Nebel und tastete nach Einzelheiten.
    Sie lag auf dem Rücken auf Asphalt. Auf einer Brücke. Leute knieten um sie herum. Archie. Die Gesichter irgendwelcher adretten Nationalgardisten. Alle strahlten, als hätten sie einen Kuchen gebacken.
    Auf ihrer Brust fühlte sich etwas komisch an. Sie tastete danach und fand einen riesigen Sticker mit Drähten dran. Sie sah den AED auf dem Boden neben ihr, Drähte führten zu ihrer Brust.
    Sie hatten sie wiederbelebt.
    Himmel. Sie war tot gewesen.
    »Alles wird gut«, sagte Archie.
    Er war triefend nass. Er hatte es geschafft. Er hatte sie gefunden und rechtzeitig aus dem Wasser gezogen.
    Ihr Hirn fühlte sich an wie Pudding.
    »Danke«, sagte sie. Und dann kotzte sie über seine Füße.
    »Macht nichts«, sagte er. »Ich war sowieso nass.«
    Sie sah die Lichter des Rettungswagens, ehe sie die Sirenen hörte. Ihre Sinne waren total durcheinander, und ihr Verstand hatte immer noch Mühe, Informationen zu ordnen.
    »Wo ist Patrick?«, wollte sie fragen, aber es kam eher heraus wie »Wospatick?«.
    Archie schien dennoch zu wissen, was sie meinte. »Wir haben Patrick noch nicht gefunden.«
    Die Sanitäter trafen ein und machten sich mit beruhigender Effizienz an die Arbeit. Sie lösten die Pads des Defibrillators ab, wickelten Susan in eine Decke und schnallten sie auf eine Trage.
    »Carey ist tot«, sagte Archie, als sie Susan wegfuhren.
    »Gut«, sagte sie.
    Sie drehte den Kopf zur Seite und sah in die Dunkelheit hinaus. Die Sanitäter luden sie in den Rettungswagen. Sie hatte das alles schon einmal durchgemacht und ließ es bereitwillig geschehen.

61
    Archie zählte jetzt zwölf Hubschrauber. Auf dem Fluss wimmelte es vor Rettungsbooten und Suchscheinwerfern. Auf jeder Brücke, von der Hawthorne bis zur Steel Bridge, blinkten die Lichter von Einsatzfahrzeugen. Keine Sirenen. Das war in solchen Fällen üblich. Man wollte nicht, dass eventuelle Hilferufe übertönt wurden.
    Trotz der hämmernden Rotoren der Hubschrauber wirkte die Stadt seltsam leise. Die Flutmauer lag in Trümmern. In der Mitte tobte der Fluss noch von den Fluten der Schneeschmelze und des Regens, aber das Wasser, das den Sandsackwall überspült hatte, lag friedlich wie ein dunkler See da. Die gesamte Innenstadt Portlands war radikal verändert. Der Willamette war jetzt zweimal so breit und stieß an die Fassaden der alten Gebäude gegenüber dem Park. So hatte Portland früher ausgesehen, vor hundert Jahren, bevor man einen Freeway entlang des Westufers errichtet hatte, der dann Jahrzehnte später wieder herausgerissen und durch den Waterfront Park ersetzt wurde, was die Bewohner Portlands

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