Totenfluss: Thriller (German Edition)
für immer vom Fluss trennte.
Archie hatte von der Burnside Bridge einen guten Blick. Die Zugbrücke war heruntergelassen worden, und jemand hatte es fertiggebracht, die Mobile Kommandozentrale des Polizeichefs von der Ostseite der Brücke heraufzukutschieren, wo es mangels einer provisorischen Flutmauer weniger Schäden gegeben hatte.
Archie trug eine Nationalgardeuniform mit einer Decke über den Schultern und nichts als nasse, von Erbrochenem getränkte Socken an den Füßen. Ringsum standen jede Menge Streifenwagen, in die er hätte steigen können, um sich aufzuwärmen. Aber er wollte es sich selbst nicht bequem machen, ehe Patrick und Flannigan gefunden waren. Er sprach in das Funkgerät, das man ihm gegeben hatte. »Und?«
»Noch nichts, Sir.«
Archie blickte nach Süden in die Nacht, wo sich viele Meilen entfernt nahe Eugene Schneeschmelze und Nebenflüsse trafen und den Willamette River bildeten, der sich durch Städte und Dörfer, durch Wein- und Ackerland nordwärts in Richtung Portland schlängelte. Dann drehte sich Archie um und sah flussabwärts nach Norden, wo der Willamette eine Linksbiegung machte und sich mit dem Columbia River vereinigte, um sich in den Pazifik hinauszuwälzen.
Fast zweihundert Meilen.
Und auf der ganzen Strecke Überschwemmungen.
Die Rettungseinsätze würden noch tagelang weitergehen. Die Aufräumarbeiten würden Monate dauern, wenn nicht Jahre.
Sie hatten bereits einen Nationalgardisten aus dem Wasser gezogen und fünf Personen in der Innenstadt von Dächern gerettet.
Aber es gab keine Spur von Flannigan oder dem Jungen. Und keine von Careys Leiche.
Archie spürte eine Hand auf der Schulter, und Chief Eaton trat neben ihn.
»Wie schlimm ist es?«, fragte Archie.
»Das werden wir erst bei Tagesanbruch feststellen können«, sagte Eaton. »Aber das Wasser steht bis hinauf zur Second Avenue, von Burnside bis hinunter nach Market. Der Gouverneur hat um Bundeshilfe gebeten. Sie schicken weitere Nationalgardisten. Die Staaten Washington und Kalifornien schicken Rettungskräfte. Gott sei Dank haben wir das Gebiet evakuiert.«
»Die Überschwemmung geht nur bis zur Second?«
Eaton sah ihn mit einem wissenden Blick an. »Wir haben das Gefängnis schon vor Stunden evakuiert.«
Archie hatte versucht, nicht an Gretchen zu denken. Er hatte sich auf Patrick konzentriert, auf Heil und Susan. Aber es hatte an ihm genagt. Die Vollzugsanstalt lag an der Third Avenue in der Stadt. Im Überschwemmungsgebiet. »Wohin?«, fragte er.
»Hinunter nach Salem«, sagte Eaton. »Alle Gefangenen sind noch da. Einschließlich Gretchen Lowell.« Er musterte Archie von Kopf bis Fuß. »Ich kann nicht sagen, ob Sie enttäuscht oder erleichtert sind.«
Wie bei allem, was mit Gretchen zu tun hatte, war es ein wenig von beidem. Archie raffte die Decke fester um sich. »Ich will nur, dass sie eingesperrt ist«, sagte er.
»Fahren Sie nach Hause«, sagte Eaton. »Inzwischen ist eine Stunde vergangen. Nach einer halben Stunde in diesem Wasser stirbt jeder an Unterkühlung.«
Nach Hause. Archie hatte seinen Dienstwagen an der First Avenue gelassen. Vermutlich stand er nicht mehr dort, wo er ihn abgestellt hatte. Und um sein Wohnhaus herum verlief wahrscheinlich ein Wassergraben.
Archie konnte nicht weggehen. Er setzte das Funkgerät an den Mund. »Und?«
»Noch nichts, Sir.«
Archie schaute über den Rand der Brücke auf die im Dunkeln liegende westliche Skyline.
»Was glauben Sie, wogegen Carey gestoßen ist?«, fragte Eaton.
»Ein geparktes Auto, vielleicht«, sagte Archie. Er hatte ihnen erzählt, dass Carey tot war. Das mit dem Schlag auf seinen offenen Schädel hatte er ausgelassen. Er fragte sich dumpf, ob eine Autopsie seinen Bericht in Zweifel ziehen würde, falls Careys Leiche je gefunden wurde. Anzunehmen. Archie hatte die Erfahrung gemacht, dass eine Wahrheit umso wahrscheinlicher auftauchte, je ungelegener sie kam.
Eatons Handy läutete. Er warf einen Blick darauf und meldete sich. »Ja?«, sagte er. Er lauschte. »Moment.« Er hielt Archie das Gerät hin. »Für Sie«, sagte er.
Archie nahm es. »Ja?«
»Großer Gott«, sagte Henry. »Selbst ich hör mich noch besser an als du.«
Archie legte die Hand an die Stirn. Die Stimme versagte ihm. Jetzt, da Susan in Sicherheit war, stürzte alles andere über ihn herein. »Heil ist tot.«
»Hab ich gehört.«
»Ich muss seine Frau anrufen«, sagte Archie.
»Warte bis zum Morgen«, sagte Henry.
Archie konnte Susan und den Jungen
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