Totenflut
laufen, holte seine Tabletten heraus und steckte sich drei weitere in den Mund. Er wollte einen Schluck Wasser nehmen, als er wieder einen Hieb wie von einem Schwert spürte. Es trat oberhalb der Hüfte in seinen Rücken ein und schob sich hinunter bis in seinen Oberschenkel. Er glaubte, seine Nerven würden zerreiÃen, und er krallte sich an das Waschbecken. Doch seine Beine gaben nach, knickten ein, und er glitt zu Boden. Stöhnend und ächzend lag er auf der Seite und wartete darauf, dass die Tabletten endlich anfingen zu wirken. Er lag einige Minuten am Boden und hatte keine Vorstellung, wie er allein wieder hochkommen sollte. Da klopfte es an die Tür.
»Schröder? Alles in Ordnung bei ihnen?«, rief Elin.
»Ja, ja, ich komme gleich!«, rief er zurück und unterdrückte einen Schrei.
Elin öffnete einfach die Tür und spähte hinein. Als sie ihn dort liegen sah, stieà sie die Tür auf und rannte zu ihm.
»Schröder!« Sie berührte ihn an der Schulter und drehte sich zur Tür um.
»Ich brauche Hilfe hier drin!«
»Was schreien Sie denn so, es ist alles in Ordnung!«
»Ihr Rücken?«, fragte sie.
»Ja, aber lassen Sie mir nur einen Moment!«
»Hallo! Kann mir jemand helfen, bitte!«, rief sie erneut.
»Machen Sie doch nicht so einen Aufstand! Mir gehtâs gleich besser!«
Die Tür sprang auf, und ein Polizeibeamter eilte herein. Er kam auf Schröder zugeschossen und versuchte ungeschickt, ihn von hinten hochzuheben. Dabei verlor er seine Polizeimütze, die mit einem hohl klingenden Geräusch auf dem Boden landete.
»Lass mich hier liegen, verdammt!«, rief Schröder und der Beamte lieà gehorsam von ihm ab.
»Gebt mir nur einen Augenblick, Herrgott!« Der Beamte machte einen Schritt zurück.
»Tut mir leid«, sagte er unsicher.
»Ja, ja, schon gut! Und was platzen Sie eigentlich hier so rein? Das ist die verdammte Herrentoilette!«, herrschte er Elin an.
»Wir haben schon wieder eine Vermisste! Eine 23-Jährige aus Lingen!«
Schröder lieà verzweifelt seinen Kopf auf die Fliesen sinken. Die Mütze des Beamten lag direkt vor ihm. Er starrte auf das Polizeiabzeichen, während Elin ihm die Umstände des Verschwindens der Vermissten schilderte.
»Sie ist gestern Nacht nicht mehr nach Hause gekommen. Sie ist Kellnerin in einer Bar und fährt einen Roller. Wohnt mit ihrem Freund zusammen, der die Polizei anrief, als sie morgens noch nicht zu Hause war. Der Roller stand an einer LandstraÃe. Der Schlüssel steckte noch.«
Schröder hob den Kopf. Er fixierte das Abzeichen auf der Polizeimütze. Ein goldener Polizeistern mit dem niedersächsischen Wappen darin. Und plötzlich war es, als hätte er ein Suchbild aufgelöst. Plötzlich konnte er in dem ganzen Durcheinander ein Bild erkennen. In dem Wappen bäumte sich ein rotes Pferd auf.
»Elin! Erinnern Sie sich an Maries Zeichnungen?«, fragte er.
»Natürlich!«
»Sehen Sie sich das Wappen auf der Mütze an! Das Pferd! Marie hat dieses Pferd gezeichnet!« Elin nahm die Mütze in die Hand.
»Der Mörder ist einer von uns! Er ist ein Polizist!«, sagte Schröder, und die Stille, die darauf folgte, war ohrenbetäubend.
Schröder wollte seinen Verdacht niemandem sonst mitteilen. Für ihn war jeder verdächtig, auch in diesem Revier.
Elin konnte seine Vermutung nachvollziehen, doch für sie blieb es nur eine Vermutung.
»Schröder, ich verstehe Sie. Und die Ãhnlichkeiten zwischen den Bildern und dem Wappentier sind sehr auffällig. Dennoch ist das noch kein Beweis.«
»Ich kann es Ihnen beweisen!«, sagte Schröder.
Schröder hatte ein Satellitenfoto der Lichtung an eine Tafel geheftet. Auf dem Foto war eine Stelle mit einem roten Kreis markiert. Schröder und Elin standen vor den vier Polizisten, die damals bei dem Einsatz dabei gewesen waren. Schröder las eine Anwesenheitsliste vor.
»Lange!«
»Hier!«
»Wessel!«
»Hier!«
»Peters!«
»Hier!«
»Und Jovic!«
»Hier!«
»Sie sind die Einsatztruppe, die die Fundstelle untersucht und die Gräber ausgehoben hat. Ich habe Sie heute zusammengerufen, weil wir etwas klären müssen, das immens wichtig für diesen Fall ist. Es geht um einen Schuhabdruck.«
Schröder machte einen Schritt zur Seite und deutete auf das Foto.
»An dieser
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