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Totenfrau

Totenfrau

Titel: Totenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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geschlossen.
    – Ist das so?
    – Keine Ahnung. Was weiß schon ein Ossi. Ich war damals noch gar nicht hier.
    – Ossis sind gute Leute.
    – Das sagen Sie jetzt nur, damit ich Ihnen keinen Fremdenhass unterstelle.
    – Stimmt.
    – Sie sind witzig.
    – Bin ich das?
    – Und Sie sehen verdammt gut aus.
    – Sie flirten mit einem Gast.
    – Was bleibt mir denn sonst? Bitte seien Sie nachsichtig mit dem armen Ossi.
    – Ist gut.
    – Danke. Auch für das schöne Lächeln.
    – Wie lange sind Sie denn schon hier?
    – Drei Jahre.
    – Dann haben Sie also nicht unter dem alten Chef gedient?
    – Nein, niemand hier im Haus hat das. Die haben die ganze Mannschaft ausgetauscht. Man wollte wohl nicht in seinem Fahrwasser schwimmen.
    – Schade. Ich müsste mit jemandem reden, der hier vor fünf Jahren gearbeitet hat.
    – Warum?
    – Ich habe mich damals in einen Kellner verliebt. Nur habe ich es zu spät gemerkt, und jetzt weiß ich nicht, wo ich ihn finden kann.
    – Wie romantisch.
    – Ja, das ist es. Können Sie mir vielleicht weiterhelfen? Wer könnte Bescheid wissen? Gibt es Einheimische, die hier gearbeitet haben? Irgendjemanden muss es doch geben, der die Leute von damals kennt.
    – Anscheinend war das Hotel über Nacht wie leergefegt, drei Viertel des Personals war nicht gemeldet, der ehemalige Chef hat das alles nicht so ernst genommen.
    – Er ist jetzt Landesrat.
    – Hab ich gehört. Er hat wohl rechtzeitig die Kurve bekommen. Ein ostdeutscher Investor hat zugeschlagen, es ging alles in Windeseile über die Bühne. Ich glaube, dieser Schönborn hatte so viel Dreck am Stecken, dass er unmöglich bleiben konnte. Wahrscheinlich hätten sie ihn sogar eingesperrt. Er hat einfach die Notbremse gezogen.
    – Das erzählt man sich also hier im Dorf?
    – Genau.
    – Und was noch?
    – Nichts, worauf ich nur einen Cent wetten würde, alles Unsinn. Verbreitet von dem ehemaligen Hausmeister hier. Er ist nicht gut zu sprechen auf Schönborn, deshalb lässt er auch kein gutes Haar an ihm. Noch dazu trinkt der gute Mann etwas viel, weshalb ihm erst recht niemand glaubt. Alles Unsinn. Und deshalb bin ich lieber still und beschränke mich auf die Fakten.
    – Was hat er erzählt?
    – Keine Ahnung, da müssen Sie ihn bitte selber fragen, aber Vorsicht: Der Mann ist nicht ganz gesund im Kopf.
    – Sagt man das?
    – Er war früher oft hier an meiner Bar, ich habe ihn erlebt. Wie er hier herumgebrüllt hat. Er hat Schönborn verantwortlich gemacht für sein verpfuschtes Leben. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er selbst das Hotel geführt. Ein bisschen größenwahnsinnig, der Gute.
    – Ich möchte gerne mit ihm reden.
    – Vielleicht sollten Sie das doch besser bleiben lassen. Falls er jemals gewusst hat, wo Ihr Freund abgeblieben ist, hat er es mittlerweile bestimmt wieder vergessen.
    – Einen Versuch ist es doch wert, oder?
    – Nicht, wenn Sie mich jetzt hier alleine lassen.
    – Tut mir leid, mein Lieber.
    – Sie sind grausam, Sie können mich nicht einfach so zurücklassen.
    – Doch, ich muss.
    Blum lächelt und steht auf. Sie fragt ihn noch nach dem Weg, dann geht sie hinaus. Um das Hotel herum, zum Personalhaus, sie schaut sich alles an. Sie stellt sich vor, wie drei Menschen in ein Auto geladen wurden, ungesehen, mitten in der Nacht. Menschenraub im Paradies. Vom Himmel in die Hölle. Und Blum wird herausfinden, wo diese Hölle ist. Sie steigt aufs Motorrad und fährt los.

15

Ein Zimmer im ersten Stock. Schäbig alles, den Eingang hat sie fast nicht gefunden, rund um das Haus liegen Unmengen von Müll, über eine morsche Außenstiege geht sie nach oben und klopft an. Licht brennt, er ist da, sie hört ihn, trotzdem dauert es eine Weile, bis er zur Tür kommt. Blum hat nichts zu verlieren, sie ist neugierig geworden, sie will wissen, was der Mann zu sagen hat. Alles ist besser, als einfach wieder zurückzufahren. Seine zerfurchten Hände und der Schnaps, die teuflischen Gesichter überall.
    Sebastian Hackspiel heißt er. Blum sitzt ihm gegenüber auf einer alten durchlöcherten Couch. Sie hat sich den Weg durch den Raum gebahnt, sie hat sich gezwungen, sich nicht zu ekeln, sich einfach zu setzen, so wie er es ihr angeboten hat. Sag Hackspiel zu mir. Er hat gar nicht lange gefragt, was sie von ihm will, er hat einfach die Tür aufgemacht, und sie ist ihm den Gang entlang ins hinterste Zimmer gefolgt. Blum hat in ihrer beruflichen Laufbahn schon viel gesehen, sie ist in Hunderten von Wohnungen gewesen, um

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