Totenfrau
leider. Das war nichts für meine Brieftasche. Aber die Weiber waren vom Feinsten, die Gäste haben ein Vermögen gelassen da unten.
– Unten?
– Im Wellnessbereich.
– Prostitution?
– Genau.
– Sagt wer?
– Sage ich.
– Und wer noch?
– Da will sich doch keiner das Maul verbrennen, Mädchen. Die, die es gewusst haben, wollen nicht darüber reden, verstehst du?
– Warum nicht?
– Weil sie im Puff waren und das nicht so beliebt ist bei den Ehefrauen.
– Das heißt, es haben sich auch Einheimische massieren lassen?
– Genau das heißt es.
– Aber du weißt natürlich nicht, wer. Und beweisen kannst du es auch nicht, dass es Prostitution war.
– Ich weiß, was es war, ich war jahrelang der Depp für alles im Annenhof.
– Trotzdem kannst du mir niemanden nennen, der mir das bestätigt, was du sagst?
– Ich will keinen Krieg hier im Dorf, Mädchen. Aber ich kann dir eins sagen, in diesem Keller ging jahrelang die Post ab. Und kurz bevor alles aufgeflogen ist, hat Schönborn das Hotel verkauft. Er hat es gerochen, wahrscheinlich wäre es keine zwei Monate länger gut gegangen. Das mit der Schwarzarbeit, das mit dem Puff und was weiß ich was sonst noch alles.
– Also alles nur Gerüchte, sonst nichts? Für zweihundert Euro ist das zu wenig, da musst du schon noch was drauflegen.
– Du kannst noch einen Schnaps haben, wenn du unbedingt meinst. Prost, Mädchen.
– Ich suche einen Fotografen.
– Wie gesagt, hier gibt es nur Teufel, einen Fotografen findest du hier nicht.
– Ein Fotograf, der irgendetwas mit dem Annenhof zu tun hatte. Fällt dir dazu etwas ein?
– Das ist leicht, da kann ich dir gerne weiterhelfen.
– Ja?
– Der Sohn vom Schönborn ist Fotograf. Ich bin mir sicher, dass auch er bei seinen Heimatbesuchen die eine oder andere Massage genossen hat. Dieser arrogante Pimpf. Edwin heißt er.
– Schönborns Sohn ist Fotograf?
– Ja. Was ist mit dir, Mädchen?
– Kann das so einfach sein?
– Ich habe zwar keine Ahnung, was du meinst, aber, ja, der junge Schönborn ist Fotograf. Er hat ein Atelier in Innsbruck, der kleine Künstler. Alles finanziert vom Papa, ein Taugenichts ist der.
– Hackspiel.
– Was?
– Das ist großartig, damit hast du mir sehr geholfen, die zweihundert Euro gehören dir.
– Gut so. Darauf sollten wir noch einen trinken.
– Ja, das sollten wir.
Blum trinkt. Es ist so überraschend. Dass es so einfach sein kann, daran hat Blum nicht gedacht. Dass es der Sohn des ehemaligen Hotelbesitzers ist, dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass er es ist. Der Mann, der die Fotos gemacht hat. Einer der fünf Peiniger, vielleicht der Mörder von Mark. Er war immer wieder im Hotel, während Dunja dort arbeitete, er kam an den Wochenenden, sagt Hackspiel. Mit seinen Freunden hat er ein Fass aufgemacht, Party in den Bergen, er war der Sohn des Chefs und hat sich auch so benommen. Hackspiel verabscheut ihn, er hat kein gutes Wort über ihn. Edwin Schönborn war Sohn von Beruf, verwöhnt, verzogen. Hackspiel erzählt Geschichten. Aber keine davon macht Schönborn zum Mörder. Und doch spürt Blum, dass sich etwas bewegt, dass etwas nicht stimmt, dass sie auf der richtigen Spur ist. Noch einmal schenkt Hackspiel nach und versucht Blum zu überreden, ihm eine Teufelsmaske abzukaufen. Blum lächelt nur. Der Alkohol macht alles warm in ihr, sie ist aufgeregt, sie plant die nächsten Schritte, sie wird Edwin Schönborn besuchen, mit ihm reden. Sie wird herausfinden, ob er etwas damit zu tun hat. Oder ob alles nur Zufall ist.
Blum trinkt weiter. Sie denkt nicht daran, wie sie wieder nach Hause kommt, sie sitzt auf dem schäbigen Sofa und hört dem Teufelsschnitzer zu. Vieles von dem, was er sagt, ist Unsinn, das ahnt sie, doch vieles muss wahr sein. Dieser verrückte Alte hat Blum vielleicht mit einem Schlag ans Ziel gebracht, sie will an die einfachste Lösung glauben, sie vermutet, dass auch Mark das getan hat, dass er dem Naheliegendsten auf den Grund gegangen ist. Edwin Schönborn hatte die Möglichkeit, Dunja und die anderen zu entführen, er kannte sich aus im Haus, er hatte die Gelegenheit, sie zu betäuben, er war in ihrer Nähe. Dunja war da, er war da. Ilena und Youn. Es wäre ihm möglich gewesen, diese Entführung zu planen und durchzuführen, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Edwin Schönborn, der Sohn eines der einflussreichsten Männer Tirols. Blum wird zu ihm gehen. Morgen. Sobald alles aufhört sich zu drehen.
Sieben
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