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Totenfrau

Totenfrau

Titel: Totenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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Schnäpse. Große Gläser voll, Blum kann nicht mehr. Nicht mehr fahren. Sie will, aber Hackspiel hält sie zurück, er nimmt ihr den Schlüssel weg und drückt sie zurück in das Sofa. Mädchen, du bleibst hier , sagt er. Dann schnitzt er seelenruhig weiter. Kurz telefoniert Blum noch mit Karl und bittet ihn, die Kinder ins Bett zu bringen, sich um Dunja zu kümmern. Sie habe eine Panne, sagt sie, ein Reifen sei geplatzt, sie müsse bis zum Morgen warten, er solle sich keine Sorgen machen und die Mädchen von ihr küssen. Dann liegt sie nur noch da und schaut zu, wie das Schnitzmesser in das weiche Zirbenholz taucht. Über eine Stunde lang ist da nur ein Teufel, der sich aus dem Holz schält, Blums Augen sehen, wie er Form annimmt, wie er langsam sein Maul aufreißt, seine Zähne fletscht. Ein Teufel kommt auf die Welt, Teufel haben Dunja ihr Leben genommen. Männer mit Masken. Männer ohne Geschichte, ohne Namen, Unbekannte, sie sind überall, an den Wänden, in Blums Kopf, sie hat Angst, die Augen zu schließen. Alles dreht sich plötzlich, sosehr sie sich auch bemüht, sie offen zu halten, es geht nicht mehr. Die Lider sind zu schwer, die Teufel drücken sie nach unten. Tief und weit. Bis alles schwarz wird.

16

Blum parkt vor dem Landeskriminalamt. Seit sie aufgewacht ist, denkt sie an nichts anderes mehr. Sie ist sich sicher, sie braucht Hilfe, die ganze Sache wird zu groß für sie. Was sie weiß, was Dunja ihr erzählt hat, Marks Aufzeichnungen, sie muss mit Massimo reden, ihn einweihen. Sie denkt daran, seit sie ihre Augen aufgeschlagen hat, sie muss ihm sagen, was sie weiß, sie kann und will nicht alleine damit sein. Sie will sich anlehnen, zurücklehnen, sie will es in seine Hände legen. Er soll steuern, er soll weitergraben, sie will sich zurückziehen. Sich um ihre Kinder kümmern. Sich um Dunja kümmern. Um Asyl für sie ansuchen, vielleicht eine Arbeit finden für sie. Sie kann es nicht mehr allein.
    Es war noch dunkel, als sie die Augen öffnete. Hackspiel muss irgendwann während dem Schnitzen einfach vom Stuhl gefallen sein. Er lag am Boden, alle Glieder von sich gestreckt, laut schnarchend. Dieses Rasseln hatte Blum geweckt, sie aus ihren Träumen geholt. Sie war dankbar, denn die Träume waren grässlich gewesen. In dem heruntergekommenen Haus neben Hackspiel aufzuwachen war wie eine Erlösung. Sie atmete tief durch und versuchte abzuschütteln, was sie gequält hatte. Leise stand sie auf, legte zweihundert Euro auf Hackspiels Brust und ging hinaus in die Nacht. Es war erst fünf Uhr, kein Mensch war auf der Straße, Blum war allein auf der Autobahn. Nur ihre Gedanken und der Entschluss, der immer konkreter wurde, je näher sie Innsbruck kam. Alleine nach dem Fotografen zu suchen, war gefährlich, sie wusste, wie weit diese Leute gehen würden. Dunja hatte wahrscheinlich Recht, wenn sie vom Schlimmsten ausging, wenn sie annahm, dass sie auch vor einem zweiten Mord nicht zurückschrecken würden. Blum wollte nach Hause zu ihren Kindern, sie wollte sie nicht in Gefahr bringen, sie wollte verhindern, dass noch etwas passieren würde. Sie musste sie beschützen, Karl, Reza, die Menschen, die ihr am nächsten standen. Wenn alles wahr war, dann musste sie aufhören zu schnüffeln. Sie musste zu Massimo, schnell, mit zweihundert Stundenkilometern und Kopfweh durch das Tiroler Oberland.
    An der Pforte des Landeskriminalamts fragt sie nach ihm. Blum weiß, dass er Nachtdienst hat, sie hat gestern mit ihm telefoniert, kurz bevor sie nach Sölden gefahren ist. Er hat sich erkundigt nach ihr. Massimo würde alles für sie tun, das weiß sie. Er würde alles liegen und stehen lassen für sie. Seine Frau, sein bisheriges Leben. Wie er sie ansieht, sie berührt. Blum weiß es. Und sie genießt es, dass er da ist. Dass da Schultern sind, wenn sie klein und verletzt ist. Schultern, Arme, Hände. Blum geht die Treppe nach oben in den zweiten Stock, sie kennt sich aus hier. Wie oft sie Mark abgeholt hat. Wie sie ausgelassen über das Geländer nach unten rutschte. Wie Mark lachend hinter ihr die Stufen nach unten lief. Blum öffnet Massimos Bürotür und überrascht ihn. Wie froh sie ist, sein strahlendes Gesicht zu sehen, die Umarmung zu spüren. Du musst mir helfen , sagt sie.
    Massimo und Blum. Sie muss ihn nicht lange überreden, mit ihr in ein Café um die Ecke zu gehen. Er freut sich, sie zu sehen, er vertreibt die Teufel in ihrem Kopf, die Bilder, die Dunja dort gepflanzt hat. Ihn anzusehen hilft. Neben

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