Totenfrau
dort Verstorbene abzuholen, sie ist immer wieder ohne Vorwarnung in Privaträume eingedrungen, hat immer wieder das Leben anderer Leute gesehen, ungeschminkt. Aber das Spektakel, das Sebastian Hackspiel ihr bietet, ist eine Klasse für sich. Dieses Haus, dieses Zimmer, die Masken an den Wänden, das knorrige Männchen mit dem Schnitzmesser in der Hand. Überall Holzspäne, Farbtiegel, Pinsel, Messer, Holz, Zigarettenstummel. Und Flaschen. Bier und Schnaps. Willst du einen , fragt er. Blum lächelt und sagt Ja. Ohne nachzudenken, leert sie das Glas und schaut ihm zu, wie er nachschenkt.
– Du kommst wegen eines Teufels?
– Nein.
– Dann hast du Pech, Mädchen, ich schnitze nur Teufel.
– Ich möchte mit Ihnen über den Annenhof reden.
– Ein guter Teufel ist das einzig Wahre. Ein gutes, aufgerissenes Maul, eine ordentliche Zunge und gescheite Hörner. Ein ordentlicher Teufel halt.
– Ich finde Ihre Arbeiten schön.
– Das sind keine Arbeiten, das sind Teufel.
– Ich mag Ihre Teufel.
– Du sollst du sagen.
– Ich mag deine Teufel.
– Das sind gute Teufel. Handarbeit, verstehst du. Da ist meine ganze Liebe drin. In jedem Teufel mein ganzes Herz.
– Das sieht man.
– Gutes Mädchen.
– Prost.
– Über den Annenhof willst du reden. Warum?
– Weil mein Mann gestorben ist.
– Und der Annenhof war schuld daran?
– In gewissem Sinne, ja.
– Das tut mir leid. Das mit deinem Mann. Dass er tot ist.
– Ja.
– Was willst du wissen, Mädchen?
– Alles. Was damals passiert ist, bevor es übernommen wurde. Schwarzarbeit und Illegale.
– Woher weißt du davon?
– Eine ehemalige Angestellte hat mir davon erzählt.
– Wer?
– Dunja. Eine Moldawierin.
– Kenne ich nicht. Da waren so viele, das ganze Personalhaus war voll mit diesen Ausländern.
– Vielleicht erinnerst du dich ja doch. Sie ist hübsch, schwarze Haare, dunkle Augen, ungefähr ein Meter sechzig groß, und sie war mit einer Ilena im Zimmer. Auch eine Moldawierin.
– Ich habe mir keine Namen gemerkt, Mädchen. Ich hatte anderes zu tun, ich musste mich um das Haus kümmern.
– Aber du wusstest, dass es Illegale waren?
– Sicher.
– Und du hast nichts gesagt.
– Schönborn hat uns gut dafür bezahlt, dass wir still sind.
– Euch?
– Alle, die es gewusst haben. Das war immer noch um ein Vielfaches billiger, als wenn er all die Heinzelmännchen im Hotel angemeldet hätte. Sie haben für ein Butterbrot gearbeitet, sie waren froh, dass sie hier sein dürfen, in unserem schönen Tirol. Die waren still und brav und haben sich im Personalhaus verkrochen.
– Du hast ihn angezeigt? Schönborn. Warum?
– Weil er mich fallen gelassen hat wie eine heiße Kartoffel, er hat einfach auf mich geschissen, er hat die Hütte an einen Deutschen verkauft und sich geschlichen.
– Was hätte er deiner Meinung nach für dich tun sollen?
– Ich habe immer mein Maul gehalten, ich war immer da für ihn, habe alles für diesen Scheißhaufen getan. Und dann drückt mir dieses Schwein fünfhundert Euro in die Hand und sagt Auf Wiedersehen.
– Das war zu wenig?
– Das war ein Witz, eine Frechheit, eine Demütigung. Ich habe ihm immer den Rücken freigehalten, ohne mich hätte der ganze Laden nicht funktioniert.
– Du warst die gute Seele im Annenhof?
– Ja.
– Du hast Schönborn bei seinen Machenschaften unterstützt.
– Und?
– Warum?
– Des Geldes wegen. Schau dich um hier.
– Und die Illegalen?
– Es ist allen gut gegangen, hundertmal besser als dort, wo sie hergekommen sind. Sie hatten sogar einen eigenen Pool.
– Ich weiß.
– Eben.
– Hackspiel?
– Was?
– Gib mir noch einen Schnaps.
– Wie viel du willst, Mädchen.
– Ich bin nicht hier, um dich zu verurteilen.
– Das wäre ja noch schöner.
– Ich bin hier, weil ich unbedingt mehr über dieses Hotel wissen muss.
– Das kostet dich aber was.
– Wie viel?
– Zweihundert.
– Ist es das wert?
– Auf alle Fälle.
– Na, dann Prost. Und fang mal an zu erzählen.
– Es ist delikat.
– Für zweihundert Euro solltest du deine Hemmungen ablegen.
– Auch wenn es immer noch kein Schwein hören will, aber Schönborn betrieb einen Puff im Keller.
– Wie bitte?
– Genau das. Einen Puff. Nutten und Ficken. Mädchen, ich habe dir doch gesagt, dass es delikat ist.
– Ein Puff?
– Offiziell waren es nur Massagen.
– Aber?
– Das war Hurerei auf höchstem Niveau. Großes Tennis, verstehst du.
– Du warst dort?
– Nein,
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