Totengeld (German Edition)
die erste Meile war eine Quälerei. Aber der Knöchel fühlte sich stabil an.
Nach der zweiten Meile brannte Milchsäure in meinen Beinmuskeln. Doch weil ich fest entschlossen war, den R undkurs zu beenden, lief ich weiter.
Schwitzend und keuchend erreichte ich schließlich den ClockTower. Ich stand gebeugt da und atmete heftig, als jemand meinen Namen rief.
Ich richtete mich auf und sah einen Mann von einer Bank aufstehen und auf mich zukommen. Er war groß und dünn und trug eine Kappe derTar Heels, Jeans und eine schwarze Nylonjacke.An einer Hand baumelte eine Plastiktüte.
Was wollte der?
»Ich habe in Ihrem Büro angerufen. Die Frau amTelefon meinte, ich würde Sie hier finden. Sie war so freundlich, mir denWeg zu beschreiben.« Scott Blanton lächelte und zeigte seine schiefen Schneidezähne. »Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen?«
Ungelegen? Ich schwitzte heftig, war völlig fertig und verwirrt. Den NCIS -Agenten hatte ich zuletzt in Bagram gesehen.Warum lauerte er mir beim Joggen auf?
Blanton streckte mir seine freie Hand entgegen.
Ich hob meine Hände in die Luft und grinste entschuldigend. »Verschwitzt.«
Blanton musterte mich vom Kopf bis zu den Zehen. »Aber sehr fit, wie’s aussieht.«
»Danke.« Plötzlich wurde ich mir der Po-formenden Spandex-Hose bewusst.
» Wie geht’s dem verstauchten Knöchel?«
»Völlig verheilt.«
»Nach der Exhumierung war mir hundeelend. Musste zweiTage in Quarantäne, bevor man mich nach Hause ließ.«
Mir fiel ein Detail aus unserer Unterhaltung in der Kantine wieder ein. Blanton war aus Gastonia.
»Ich bin mir sicher, Ihre Familie ist sehr froh, Sie wiederzuhaben.« Lahm.Aber ich hatte keineAhnung, was der Kerl wollte.
»Und Ihre Katze war sicher auch sehr froh, Sie wiederzusehen.«
Die Bemerkung überraschte mich. Dann fiel mir ein, dass ich das ebenfalls in der Kantine erzählt hatte.
»Ja.« Ich wischte mir feuchte Haare aus der Stirn.
Blanton griff in dieTüte und zog einen Karton heraus. Flach und rechteckig.
Wie derjenige, in dem D’Ostillos Zunge gelegen hatte.
Mit einem komischen Gefühl im Magen schaute ich mich um. Hinter uns liefen Studenten über den Campus.Auf der Radcliffe herrschteVerkehr, nicht sehr viel, aber genug, um mir ein Gefühl der Sicherheit zu geben.
»Für Sie, Doctor.« Blanton hielt mir den Karton hin. » Weil Sie so ein guter Soldat waren.«
»Ich habe nur meineArbeit getan.«
»Dann nehmen Sie es als Dank dafür, dass Sie mein grässliches Benehmen klaglos hingenommen haben.«
Ich nahm den Karton und hob den Deckel an. Drinnen lag ein Paschmina-Tuch, ähnlich dem, das Katy und ich auf dem Basar in Bagram bewundert hatten.
Blanton war nach Charlotte gekommen und hatte mich ausfindig gemacht, nur um mir einTuch für zwei Dollar zu schenken?
»Ihre Miene sagt Stalker. Entweder das, oder Ihnen gefällt die Farbe nicht.«
»Es ist sehr schön. Nur unerwartet.«
»Ich war in der Gegend und dachte mir, vielleicht freuen Sie sich über ein Erinnerungsstück.«
Gastonia war gute vierzig Minuten entfernt.Wenn wenigVerkehr war.
»Hören Sie. Ich habe mich da drüben nicht von meiner besten Seite gezeigt. Ich war angespannt. Das Ungeziefer. Welsted hat mich wahnsinnig gemacht.« Schelmisches Grinsen. »Vergeben und vergessen?«
»Vergeben und vergessen.« Jetzt, da ich nicht mehr lief, fühlte sich die Brise auf der feuchten Haut und den schweißnassen Sachen kalt an. Ich fing an zu zittern. Blanton schien es nicht zu bemerken.
» Was wir getan haben, war wichtig, unabhängig vomAusgang. Sheyn Bagh war eine üble Situation, in der es eigentlich keine Gewinner geben konnte.Wir haben der Gerechtigkeit Genüge getan.«
»Haben Sie mit Lieutenant Gross gesprochen?«
»Nein. Aber ich habe gehört, dass er unbedingt wieder in den Einsatz will.« Blanton starrte mich an, als wollte er mir ins Gehirn bohren. » Wie läuft die Arbeit? So viel zu tun wie drüben?«
»Hm.«
»Böse Menschen tun anderen Menschen böse Dinge an. Hoffentlich anderen bösen Menschen.Aber das ist nicht immer so, oder?«
Blanton beugte sich verschwörerisch zu mir. Er roch nach schalem Kaffee und Old Spice.
» Wir sehen es, nicht wahr? Das Böse.Tagein, tagaus. Nach einerWeile macht es einen ganz konfus.Wie kann guten Menschen eine solche Scheiße passieren? Menschen wie John Gross.«
Ich hielt das für ein schlechtes Beispiel, sagte aber nichts.
»Ich weiß ja nicht, wie’s Ihnen geht, aber ich glaube inzwischen, dass das Böse in
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