Totengeld (German Edition)
groß, enthielt zwei Pritschen, zwei schnell zusammengenagelte Nachtkästchen, einen hölzernen Kleiderschrank, in dem sich eingeschweißte Pakete mitTrinkwasserflaschen stapelten, und einenTisch voller staubiger Magazine und uralterAusgaben von Stars and Stripes. Und erstaunlicherweise einen PC, der allerdings aussah wie zwanzig Jahre alt.
Das waren die guten Nachrichten. Die schlechten?
Die sanitäre Einrichtung war ein knöchelstauchendes Footballfeld entfernt.
NachdemWelsted mich informiert hatte, dass für morgen null-neunhundert eine Besprechung mit der Standortführung angesetzt war, verabschiedete sie sich.
» Wollen Sie was zwischen die Zähne?«, fragte Blanton.
Ich war zwar erschöpft, hatte aber seit dem Frühstück nichts anderes gehabt als Müsliriegel und Cola light.
»Aber sicher.«
Ich stellte meine Sachen ab. Unterwegs erzählte ich ihm von Katy. Er versprach, sie für mich ausfindig zu machen.
Ein schneller Burger und Fritten, und ich war wieder in meiner Sperrholzkiste.
»Frühstück um null-achthundert?«
»Ich finde denWeg dorthin.«
»BeiTageslicht sieht alles anders aus.«
»Sicher. Dann würde ich mich über eine Begleitung freuen.« Was ich wirklich tat.
»Vielleicht sollte ich Ihre Kontaktdaten haben, falls es eine Planänderung gibt?«
Ich gab ihm meine Handynummer und meine E-Mail-Adresse.
Nach einem schnellenAusflug zurToilette stellte ich denWecker, legte meineTaschenlampe aufs Nachtkästchen und fiel ins Bett.
Das waren meine letzten Gedanken:
Bis morgen früh wirst du nicht pinkeln.
Warum die Spannung zwischenWelsted und Blanton?
Stiefelgetrampel auf Sperrholz weckte mich. Hinter der Trennwand zu meiner Linken Männerstimmen. Über mir kreischten Flugzeuge.
Ich schaute auf die Zeitanzeige meines iPhone.
6:50.Wie lange hatte ich geschlafen? Nicht lange genug.
Ich schaute mich um, hoffte, dass ich die triste Kammer amAbend zuvor unterschätzt hatte. Hatte ich nicht.
NackteWände, Linoleumboden, hier und dort angeheftete, sich aufwölbende Poster und Fotos. Kein Fenster. Eine Steckdose pro Bett. Eine typische Unterkunftshütte. Schnell auf- und wieder abgebaut. Mit einer Haltbarkeit von drei bis fünf Jahren.
Ich zog mich an, nahmToilettenköfferchen undTaschenlampe in die Hand und machte mich auf meinen Hundertmetermarsch.
Und erhielt meinen ersten atemberaubenden Blick auf Bagram.
Berge erhoben sich in einem Kreis um mich herum, hoch und gebieterisch, die schneebedeckten Gipfel strahlend weiß vor einem Himmel zwischen Dämmerung undTageslicht.
Während ich an den R eihen der Hütten vorbeiknirschte, dachte ich an Katys E-Mail-Bemerkungen. Nicht gerade das Hilton, hatte sie gesagt, aber besser als Zelte. Ihr Hauptproblem war das Ungeziefer gewesen. Man durfte keine Schokoriegel herumliegen lassen. Keine halb ausgetrunkenen Limonaden. Ich musste lächeln bei derVorstellung, dass meineTochter täglich ihre Unterkunft putzte.
Und merkte dabei, dass ich mich suchend umschaute. Zwei schlanke Beine auf derTreppe. Ein blonder Pferdeschwanz, der in einer Kabine verschwand.
Konnte ich im Umkleidebereich auf Katy treffen? In der Kantine? Unterwegs auf einer Straße?
Beim Duschen lenkte ich mich ab, indem ich mir in Erinnerung rief, was ich vor meinemAbflug über Bagram in Erfahrung gebracht hatte.Viel war es nicht.
1950 von denAmerikanern als Flugplatz errichtet, hatte der Stützpunkt jetzt die Größe einer Kleinstadt. Ihre Bevölkerung aus ungefähr sechzigtausend Soldaten und vierundzwanzigtausend Zivilisten setzte sich zusammen aus alliiertenTruppen,Angestellten internationalerVertragsfirmen und afghanischenTaglöhnern.
Zusätzlich zur normalen Infrastruktur gab es in Bagram noch Cafés, Fast-Food-Läden, einen Kontrollturm noch aus der Zeit der sowjetischen Besatzung und einen Basar, in dem örtliche Händler ihreWare feilboten. Der Disney Drive war die Hauptstraße, benannt zu Ehren eines gefallenen Soldaten, nicht nach UncleWalt.
Die BagramAir Base lag nahe der alten Seidenstraßenstadt, nach der sie benannt war. Und Lichtjahre entfernt.
Geduscht und mit frisch gewaschenen Haaren marschierte ich zurück zu meinem Quartier.Wo ich erfreut feststellte, dass der PC mir tatsächlich einen Internetzugang ermöglichte.
Da ich noch zwanzig Minuten Zeit hatte, checkte ich meine E-Mails. Fand aber nichts von irgendjemandem, den ich tatsächlich kannte. Ich schrieb Larabee eine kurze Mail, in der ich ihn um das Neueste im Fahrfluchtfall bat. Ich schickte auch
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