Totengeld (German Edition)
persönlichenVerantwortung gefordert. Das ist meine Interpretation, müssen Sie wissen. Er hat das nie so gesagt. Es ist der Eindruck, den ich bei unseren vielen Gesprächen erhalten habe.«
»Verstehe.«
»John hatte drei Jahre im Irak verbracht, um dieWelt sicherer zu machen. Dieses Massaker an Zivilisten zeigte, dass das nicht funktioniert hatte.«
»Aber wir reden von einem anderen Konflikt, anderenTätern.«
»Absolut.Aber für einige Soldaten ist das alles ein allgemeines Böses. Saddam, Gaddafi, derAyatollah, dieTaliban – ein Böses mit vielen Gesichtern.Wie eine Hydra, eine vielköpfige Schlange.«
»Dachte John auch so?«
»Nach diesenAngriffen betrachtete John denTerrorismus als eine sehr reale und sehr persönliche Bedrohung.«
»Er hat seinen Job gekündigt und sich wieder eingeschrieben.«
»Er bewarb sich für einen Offizierslehrgang, was bei seinemAlter etwas problematisch war.«
Ich rechnete schnell nach. »Er war zu dem ZeitpunktAnfang dreißig.«
» Wie die amerikanischeWirtschaft zieht auch das Militär es vor, wenn seine Führungspersönlichkeiten früh anfangen. In seinemAlter hätte John bereits auf der mittleren Ebene sein sollen. Dennoch wurde er angenommen.« Hawthorn richtete den Brieföffner aus. »JohnsVorgeschichte war ebenfalls ein Nachteil für ihn.«
»SeineVorgeschichte?«
»Ein ehemals einfacher Soldat, der sich für die Offizierslaufbahn bewirbt. Es ist schwer, den Sprung aus derTruppe in die Offiziersklasse zu schaffen.«
»Aber Gross hat es geschafft.«
Hawthorn nickte. »Schloss den Offizierslehrgang als Jahrgangsbester ab, entschied sich für den Einsatz bei der Infanterie und meldete sich freiwillig fürAfghanistan. Er war auf seinem vierten Einsatz, als sich derVorfall in Sheyn Bagh ereignete.«
» Was hielten die Offizierskollegen von Gross?« Ich platzierte Serviette und leeren Becher an derTischkante.
»Hart arbeitend, fair, auch unter Druck gelassen. Entschuldigen Sie die Formulierung, aber einer nannte ihn einen gung ho mo fo.«
Ich kannte denAusdruck. Einen extrascharfen Mistkerl.
»John war also sehr engagiert.«
Hawthorn lächelte knapp. »Einige sagen, ein Marine kann nie zu engagiert sein.«
» Was ist mit denen unter seinem Kommando?«
Hawthorns Blick schnellte kurz zu der Serviette und dem Becher, die die sorgsame Symmetrie auf seinem Schreibtisch ruinierten. Unbewusst richteten seine Finger die bereits präzise liegende Schreibunterlage neu aus.
»Natürlich variieren die Meinungen.Aber die meisten sind ihm positiv gesinnt.«
»Aber nicht Grant Eggers.«
»Corporal Eggers ist der Hauptzeuge derAnklage.«
Damit war alles gesagt.
» Wie geht Lieutenant Gross mit dieser ganzen Geschichte um?«
»John liebt sein Land, und er liebt das Corps.Aber er fühlt sich verraten. Er hasst es, hier in Jacksonville festzusitzen, er wäre lieber wieder inAfghanistan. Er ist sicher, dass man ihn freisprechen wird.Wie ich auch.«
Hawthorn lächelte und deutete mit spitzem Finger auf den störendenAbfall. »Darf ich?«
»Ja.Vielen Dank.«
Er warf Serviette und Becher in etwas neben seinen Füßen.
»Nun gut«, sagte er und richtete sich auf. »Können wir uns dann bitte etwas detaillierter mit Ihrer Aussage beschäftigen?«
Etwa eine Stunde lang gingen wir die wesentlichen Punkte durch. Hawthorn hörte zu, stellte ein paar Fragen, machte sich ein paar Notizen.Als ich fertig war, stand er auf und dankte mir noch einmal.
»Falls Sie sonst noch etwas brauchen, ich bin im Lejeune Inn«, sagte ich und hoffte inständig, dass er nicht anrufen würde.
Rigg wartete draußen mit demTransporter auf mich.
Während wir über den Stützpunkt fuhren, dachte ich über Hawthorns Bemerkungen nach.
Engagiert war dasWort, das er benutzt hatte.
Wie engagiert?, fragte ich mich.
Rigg setzte mich unter demVordach ab und kündigte an, mich am nächstenTag um halb neun wieder abzuholen. Ich ging in mein Zimmer und rief Ryan an. Erreichte nur denAnrufbeantworter. Obwohl er auf meine vorherigen Nachrichten nicht reagiert hatte, hinterließ ich ihm noch eine.
Frustriert und hungrig ging ich in einWendy’s und be stellte mir einen doppelten Cheeseburger mit Pommes. O Gott, es war schön, wieder zu Hause zu sein.
Zurück in meinem Zimmer, zeigte der summendeWecker 13:15. Ich bedauerte das Viertelpfund Fett, das ich in mich hineingestopft hatte, jetzt schon und legte ich mich aufs Bett. Draußen zwitscherten die wachhabenden Vögel wie verrückt.
Ich schloss
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