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Totengeld

Totengeld

Titel: Totengeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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ohne, er schafft sie entweder zu Fuß oder auf Lastwagen über die Grenze und fährt sie dann nach Osten.«
    »Hört sich einleuchtend an«, sagte ich.
    »Eins ist sicher. Rockett reist nicht nach Texas, um sich Rodeos anzuschauen.«
    »Nein«, pflichtete ich ihm bei.
    Wieder Schweigen. Im Hintergrund hörte ich Telefone, stellte mir vor, dass Slidell an seinem Schreibtisch im Bereitschaftssaal saß.
    »Was ist mit Ray Majerick?«
    »Noch flüchtig. Aber wir kriegen ihn.«
    »Was ist mit citizenjustice? Irgendwas Neues?«
    »Hab’s an die Cyber-Jungs weitergeleitet, aber die stecken bis über beide Ohren in Arbeit.«
    Es klingelte an der Tür. Meine Finger umklammerten den Hörer fester. Ich erwartete niemanden.
    Es klingelte noch einmal.
    Und noch einmal.
    »Was ist da los?«
    »Da ist jemand an der Tür«, sagte ich zu Slidell. »Sie haben einen Streifenwagen draußen, richtig?«
    »Einer jede Stunde. Mehr ging nicht. Das Department hat zu wenig Leute.«
    »Bleiben Sie dran?«
    »Ja.«
    Es klingelte noch einmal.
    Und viel zu schnell noch einmal.
    Mit dem Schnurlosen in der Hand stieg ich die Treppe hoch und versuchte, durch das Fenster zu sehen, das auf das Vordertreppchen hinausging. Die Außenbeleuchtung war ausgeschaltet. Unter dem Dachvorsprung erkannte ich einen Teil einer Männerschulter, ein Bein und abgewetzte Slippers.
    »Soll ich einen Wagen schicken?«, fragte Slidell.
    Ich hob mir das Gerät ans Ohr.
    »Warten Sie.«
    Ich lief nach unten, schlich zur Tür und drückte das Auge ans Guckloch.
    »O mein Gott …«
    »Hallo, Doc? Alles okay?«
    Schockiert schob ich den Riegel zurück und öffnete die Tür.

 
    37
    Sein Gesicht war eine Halloween-Maske, die Augen waren dunkle Höhlen, die Wangen eingefallen, das Kinn dunkel von Stoppeln.
    »Reden Sie mit mir.« Slidells gebellter Befehl krächzte aus dem Hörer.
    »Ich bin okay.«
    »Was zum –«
    »Es ist ein Freund.« Neutral, um die Gefühle zu überdecken, die in mir aufwallten. »Es geht mir gut. Vielen Dank.«
    Ich legte auf. Dann stand ich wie erstarrt da, wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Sollte ich mich erfreut zeigen? Wütend? Gleichgültig?
    Ich schaltete die Außenbeleuchtung ein. Im weichen, gelben Licht sah ich rote Äderchen im Weiß seiner Augen.
    »Du siehst beschissen aus.« Die witzige Variante.
    »Danke.« Ryans Stimme klang belegt und heiser.
    »Soll ich mal versuchen, bei dir auf Neustart zu drücken?«
    »Funktioniert nicht.«
    »Komm rein.«
    Er rührte sich nicht.
    »Wenn ich dich da draußen stehen lasse, verlotterst du noch mehr und machst den Nachbarn Angst.«
    Normalerweise hätte Ryan mit einer witzigen Retourkutsche reagiert.
    »Komme ich ungelegen?«
    »Wollte eben die Flusen aus dem Trockner pulen.«
    »Wenn du es nicht machst, steigt die Brandgefahr.«
    Ich grinste.
    Ryan grinste. In gewisser Weise.
    Ich trat beiseite.
    Ryan bückte sich und legte die Hand um den Griff eines verhüllten Würfels. Als er an mir vorbeiging, hörte ich ein Glöckchen bimmeln. Und Kratzen. Seine Kleidung stank nach Schweiß und Zigarettenrauch.
    Ich schloss die Tür und drehte mich um.
    Ryan stand mitten im Zimmer und schien nicht recht zu wissen, was er tun sollte. Er hatte Gewicht verloren und sah hager und abgezehrt aus.
    »Er hat den Wunsch geäußert, in den Süden zu gehen.« Ryan zog das Tuch vom Käfig.
    Charlie, unser Papagei, blickte verwirrt drein. Aber Vögel blicken immer verwirrt drein.
    Ich deutete ins Esszimmer. Ryan stellte den Vogel auf den Tisch, legte das Tuch wieder darüber und kam dann ins Wohnzimmer zurück. Ich ließ mich in einen Lehnsessel sinken und hob die Augenbrauen.
    Ryan setzte sich aufs Sofa, lehnte sich aber nicht zurück. »Schön hier.«
    »Ist schon eine Weile her«, sagte ich.
    »Ja.«
    »Schön, euch beide zu sehen.«
    Dreißig Sekunden lang nur Großmutters tickende Uhr. Es war ein angespanntes, verlegenes Schweigen.
    »Wie geht’s dem Tiger?«
    »Noch immer König des Hauses.«
    Ryan nickte, doch er rief oder suchte nicht nach Bird, wie er es normalerweise tat.
    »Kaffee?«, fragte ich.
    »Klar.«
    Ich ging in die Küche. Ryan folgte mir nicht. Während ich die Kaffeemaschine in Gang setzte, dachte ich daran, wie oft wir uns diese Aufgabe geteilt hatten, das Mahlen der Bohnen, das Abmessen der Wassermenge, dann das Diskutieren, ob das Mischungsverhältnis zu stark oder zu schwach war. Was war denn nur passiert?
    Als ich ins Wohnzimmer zurückkehrte, saß Ryan vorgebeugt da. Die

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