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Totengeld

Totengeld

Titel: Totengeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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mehr tun können. Gibt sich immer selbst die Schuld, wenn etwas schiefläuft.
    »Ich hätte mich mehr auf Lily und weniger auf den Job konzentrieren sollen, auf Fremde, die meinen Namen nicht einmal kennen. Ich hätte mich voll und ganz auf sie konzentrieren müssen. Meine eigene Tochter.«
    Ryans Schmerz war eine offene Wunde. Ich konnte absolut nichts tun außer zuhören.
    »Komisch. Die Sachen, die einem wieder einfallen. Bedeutungslose Augenblicke. Eines Nachts kam sie in mein Schlafzimmer, um mir einen Song vorzuspielen, den sie sich von iTunes heruntergeladen hatte. Ich weiß noch genau, was es war. Israel Kamakawiwo’oles Over the Rainbow/Wonderful World .«
    Ryans gequälter Blick suchte mein Gesicht. »Ist das alles, was wir hatten, Tempe? Alles, was ich ihr je gegeben habe? Ein lausiger Urlaub in Hawaii?«
    Ich legte meine Hand auf seine. »Natürlich nicht.«
    »Warum ist dann jede meiner Erinnerungen mit dieser Reise verbunden?«
    »Es ist noch zu früh.«
    Er schnaubte leise. Schüttelte den Kopf.
    »Du solltest hierbleiben«, sagte ich. »So lange du willst.«
    »Ich muss los.« Er zog noch einmal tief an seiner Camel und drückte sie dann aus.
    »Jetzt?« Ungläubig.
    »Tut mir leid.« Er strich sich mit der Hand durch die ungewaschenen Haare. Die Geste war so vertraut, dass es mir das Herz zerriss.
    »Wohin?«
    »Weg.«
    Ich schaute ihn fragend an.
    »Ich muss mich bewegen. Bewegen und in Bewegung bleiben.«
    »Ryan –«
    »Tut mir leid.« Er stand auf und ging zur Tür.
    »Bitte.« Flehend. »Bleib.«
    »Ich bin nicht in der Lage, mit anderen zusammen zu sein.«
    »Wohin willst du?«
    Er zögerte. »In den Süden.«
    »Du kannst das Arbeitszimmer haben. Ich bin mit einem Fall beschäftigt. Du würdest mich kaum sehen.«
    »Ich kann nicht. Tut mir leid.«
    Er las in meinem Ausdruck etwas, das ich nicht meinte.
    »Du hast recht. Es war ein Fehler. Ich wollte nur …«
    »Ein Fehler?« Ich versuchte, mir meine Verärgerung und Verletztheit nicht anmerken zu lassen.
    »Ich wusste einfach nicht, wohin ich sonst sollte.«
    »Bleib, Ryan.«
    »Du kannst nichts tun. Kein Mensch kann irgendwas tun.«
    Und damit ging er.
    Ich lief zur Tür und sah ihn langsam mit den Schatten verschmelzen. Die Tränen brannten heiß auf meinen Wangen.
    Auf halbem Weg blieb er stehen, drehte sich um und kam langsam zurück.
    »Es tut mir so leid.«
    »Wenn du dir nur von mir helfen lassen würdest.«
    »Das hast du bereits getan.«
    Er breitete die Arme aus. Ich stürzte hinein. Sie schlossen sich um mich. Ich drückte meinen Körper an seinen.
    Er umschlang mich fest. Ich roch schalen Rauch, Leder und einen Hauch seines Rasierwassers.
    Während wir uns umarmten, schwangen Scheinwerfer um eine Kurve in der Zufahrt und beleuchteten unsere Körper. Geblendet konnte ich nicht sagen, ob das Auto zu Slidells Überwachungsteam gehörte.
    Das Fahrzeug beschleunigte, fuhr an uns vorbei und bog rechts auf die Queens ab.
    Bilder blitzten auf. Ein Karton. Eine abgetrennte Zunge. Ein verquollenes, blutiges Gesicht.
    Ryan missverstand mein plötzliches Versteifen als Ablehnung und löste die Umarmung.
    »Ich werde dich vermissen.« Er drückte sich seine Fingerspitzen an die Lippen und strich mir damit über die Wange.
    »Geh nicht.« Vielleicht hatte ich es gesagt, vielleicht nur gedacht.
    Ryan ging den Zuweg hinunter und bog um eine Ecke. Eine Autotür wurde zugeschlagen. Ein Motor sprang an.
    Ich schloss und verriegelte die Tür. Ich lehnte mich dagegen, versuchte, diesen Besuch zu verarbeiten. Er hatte nicht nach Katy gefragt. Nach meinen Reisen. Ich war im Krieg gewesen, und ihm war es scheißegal.
    In seiner Zeit des Leidens hatte Ryan mich ausgeschlossen. Die Zurückweisung fühlte sich an wie ein Messer im Herzen.
    Im Ernst? Die Tochter dieses Mannes ist tot, und du bist sauer, weil er dich nicht angerufen und sich nicht nach dir erkundigt hat? Bis du schon so egozentrisch geworden?
    Voller Scham über meine Kleinlichkeit stieß ich mich von der Tür ab. Ich hatte einen Fuß auf der Treppe, als das Telefon klingelte.
    Aufgeregt griff ich zum Hörer.
    Es war nicht Ryan.
    »Hallo, Doc.«
    »Was gibt’s, Detective?«
    »Sie klingen so begeistert wie ein toter Fisch.«
    »Warum rufen Sie an?«
    »Hab einen Schocker für Sie.«
    Das war es wirklich.

 
    38
    »Erinnern Sie sich an Archer Story?«
    »Der jüngere Bruder von John-Henry, der Mann, der in dem Flohmarktbrand umkam.« Vielleicht. »Was ist mit ihm?«
    »Archer und

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